Franziska Rheinberger berichtet über ihre vertonte Sage für den Lindauer Liederkranz und Josef Rheinbergers Anerkennung der Gesellschaft der französischen Komponisten


München, 13. März 1883

 

München 13. März 1883.

Mein lieber Schwager David.

Gleichzeitig mit Deinem letzten Briefe kam eine Bitte aus Lindau, deren Erfüllung mir viel Zeit raubte, so dass ich erst heute dazu komme, Dir zu schreiben und zu danken.

Jener Lindauer Brief meldete Curt, dass der Lindauer Liederkranz, dessen Ehrenmitglied er ist, am 6. und 7. und 8. Mai sein 50jähriges Jubiläum feiern wolle und man bat Curt, hiezu einen Männerchor schreiben zu wollen, obgleich sie bereits eine grössere Chorballade von ihm – Clärchen auf Eberstein [1] zur Aufführung bringen. Es hiess nun Texte suchen – und da ich keinen fand, so bediente ich mich einer kleinen Vorarlberger Sage aus Deinem Vonbun [2] und dichtete darüber einen Gesang. Curt war mit dem Text zufrieden, componirte denselben; ich hatte ihn dann noch abzuschreiben und zu regidiren; und nach zwei Tagen (Vorgestern) kam schon die Antwort aus Lindau, dass sie hocherfreut über die Composition und Dichtung den Chor als erste Programmnummer ansetzen würden. /…/

Gestern kam noch eine andere hübsche Botschaft aus Paris: Dass dort Christophorus so sehr gefiel, dass die Gesellschaft der französischen Componisten – die ersten Namen dabei – Rheinberger zu ihrem correspondirenden Mitglied erwählten; eine Anerkennung, die sie dem Verzeichnis nach zu urtheilen, wenigen deutschen Componisten angedeihen lassen. – Die Wagnertrauerfeierlichkeiten [3] haben einen Charakter angenommen der es uns leicht macht, von Allem fern zu bleiben.

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[1] Ballade für Soli, und Chor mit Klavierbegleitung (Gedicht von Fanny von Hoffnaass nach einer Rheinsage von Karl Simrock), op. 97, komponiert 1876, Orchesterfassung 1877.
[2] s. S. 140/Z. 25
[3] Richard Wagner war am 13. Februar 1883 in Venedig gestorben.