Henriette Huber-Hecker dankt Prof. Theodor Kroyer für sein Buch über Rheinberger.


Kreuth, 13. IX. 1920.

Abs.: bei Frau Regierungsrat Hecker
Entersfels - Dorf Kreuth.

Sehr geehrter Herr Professor.

Fassen Sie es bitte nicht als Zudringlichkeit auf, dass ich, als eine Ihnen ganz Unbekannte, diese Zeilen an Sie richte. Sie sollen meinem herzlichen Dank Ausdruck geben für die tiefe Freude, die ich beim häufigen Lesen Ihres Rheinberger-Buches empfunden habe. Gleich nach Erscheinen desselben machte mich jemand, der um meine herzliche Freundschaft mit dem verehrten Meister wusste, darauf aufmerksam. Damals wagte ich nicht, Ihnen zu schreiben. Hier aber, in seinem geliebten Kreuth, wo ich zum erstenmal seit 19 Jahren wieder weile, wo mir auf Schritt und Tritt die Erinnerung an den liebsten Freund lebendig wird, wo jeder Weg und jeder Baum mir von tausend weihevoll-schönen, mit ihm verbrachten Stunden sprechen, da lass ich alle Scheu hinter mir und sag' Ihnen, dass Sie mir unendliche Freude durch Ihr Buch bereitet haben. Wird es doch nicht nur dem Musiker, sondern gerade auch dem Menschen Rheinberger voll gerecht, der durch seine edle Bescheidenheit, sein fast keusches Verschlossensein nicht vielen Menschenseelen sich aufschloss. Dass ich trotz meiner damaligen Jugend eine davon sein durfte, ist vielleicht das reinste und tiefste Erlebnis meines Lebens geblieben.

Die wundervollen Briefe des Meisters, die seinerzeit von München nach Berlin flogen, sind mein köstlichster Besitz. Sie zeichnen fast tagebuchartig unendlich viele seiner inneren u. äusseren Erlebnisse von frühester Kindheit an auf, und wenn daneben die rührende Liebe des vereinsamten Mannes zu einem eben erwachsenen jungen Menschenkinde erschütternd zum Ausdruck kommt, so bin ich mir wohl bewusst, dass sie mehr einem geliebten Idealbild als meinem wirklichen Selbst galten. -

Wie weit liegt das alles dahinten! Und doch ist's lebendig in mir, als sei es gestern gewesen. Die Welt ist unaufhaltsam weiter geeilt und hat uns Zustände gebracht, für die der so konservative Meister kein Verständnis mehr hätte - wohl ihm, dass er ausruht in Frieden - aber die Berge und Wälder, sein geliebtes "Eden", Kreuth, das liegt noch ebenso weltvergessen und unverändert da wie in seinen glücklichsten Tagen, und die Glasbilder in der alten Kapelle, St. Josef und Sta. Franziska, die er einst stiftete, schauen freundlich wie ehedem hernieder auf die stillen Beter zu ihren Füssen. -

In Dankbarkeit und Verehrung einen ergebensten Gruss.

Frau Henriette Huber geb. Hecker

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