Henriette Huber informiert Prof. Theodor Kroyer, dass ein Paket mit den Briefen Rheinbergers unterwegs sei.


12. IV. 21.

Berlin-Dahlem,
Liebensteinerstr. 2-4

Sehr geehrter Herr Professor.

Besten Dank für Ihre freundliche Mitteilung. Soll ich Ihnen gestehen, dass ich garnicht unzufrieden war, so lange nichts von Ihnen gehört zu haben? "Vielleicht liegt ihm nichts mehr an den Briefen", dachte ich mir. Denn mir ging's mit meinem Versprechen, sie Ihnen zu schicken, wie der Prinzessin im Märchen, die dem Frosch, der ihr die goldene Kugel aus dem Wasser holte, gelobte, ihn bei sich aufzunehmen. Als er aber dann wirklich an ihre Türe klopfte, wäre sie am liebsten auf und davon gegangen. Nun, ihr half schliesslich alles nichts, sie musste ihr Versprechen wahr machen, und so muss ich es wohl auch tun, wenn's mir auch sauer genug wird. Denn die Briefe sind halt, wie Rheinberger selbst scherzend sagte, "arg offenherzig" und nur für die Empfängerin bestimmt. Doch Sie haben ja versprochen, sie nur still für sich zu lesen und sie mir dann möglichst bald wieder zuzustellen. So sollen sie denn diese Woche noch an Sie als eingeschriebenes Paket abgehen und kommen hoffentlich sicher in Ihre Hände. Eine Abschrift besitze ich nicht, da mir bei meinem grossen Haushalt immer die Zeit dazu mangelte. - Wenn ich die beiden Bilder beilege (das meinige erhielt ich nach dem Tode des Meisters von seiner Nichte zurück, während meine Briefe nach seiner Verfügung vernichtet wurden), so geschieht es, damit Sie sich beim Lesen ein wenig in die schon so weit zurückliegende Zeit zurückversetzen können und wissen, wie die damals aussah, an die diese wunderbaren Briefe gerichtet sind. -

In vorzüglicher Hochachtung
Frau Henriette Huber

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