Georg Niedermayer drückt ihn diesem Brief seine Bewunderung für Rheinbergers Werke aus.


Regensburg, 26.1.1886.

Ex. Hochwohlgeboren!

Beehre mich Ihnen mitzutheilen, dass ich heute beim Trauergottesdienste der verstorbenen Fürstin Mathilde von Thurn und Taxis Ihr grosses Requiem [1], dieses herrliche Prachtwerk, mit meinen Chorkräften zur Aufführung brachte. Der Sängerchor bestand aus circa 60 Personen, 36 Knaben und 24 Männerstimmen; Streichquartett habe ich 4 und 3 fach besetzt, die übrige Instrumentation 1 fach.

Die Wirkung war eine grossartige; sämtlicbe Sänger und Musiker waren geradezu begeistert und entzückt. Meine Soprane haben das hohe b in "dies irae" und "benedictus" mit fulminanter Begeisterung gesungen; überhaupt haben die Knabenstimmen, verstärkt durch Dom und alte Kapelle, eminent durchschlagend gewirkt. Ich hätte Sie hier als Zuhörer gewünscht. - Bei der kurzen Zeit, die mir für die Proben gegönnt war - 3 Tage - bin ich im Grossen und Ganzen mit dem Resultat sehr zufrieden; ich habe das grösstenteils der Begeisterung und Aufmerksamkeit der Sänger und Musiker zu verdanken. Meine Sänger kennen nämlich Ihre Compositionen so ziemlich aus Motetten, Psalmen, Stabat mater[2] - das ich voriges Jahr mit grossem Effekt zur Aufführung brachte - darum konnte ich mit verhältnismässig wenigen Proben - 2 Gesangs- und 1 Generalprobe - das grosse Unternehmen wagen und - zu meiner grossen Freude - ist das Werk gelungen.

Aber das Werk lobet den Meister. Ist das ein frommes, grossartiges, majestätisches, inniges opus! Dabei ganz und gar von kirchlichem Geiste durchweht.

Ich ziehe nun Ihre Kirchencompositionen immer mehr in mein Repertoire herein; wenn ich nur ein Verzeichnis Ihrer im Druck erschienenen Kirchenmusikalien in die Hand bekäme, sowie Ihrer sonstigen Gesangs-Compositionen. Als ich in den Jahren 1865-1868 in München in St. Johann, bei geistl. Rat Nissl war, hatte ich mehrmals das Vergnügen, mit Ihnen persönlich zusammenzukommen; meine Wenigkeit wird Ihnen freilich - ich war damals junger Geistlicher und Philologe - nicht mehr erinnerlich sein. [...]

Mit vorzüglicher Hochachtung Ew. Hochwohlgeb. ergebener Gg. Niedermayer. Kgl. Seminarinspektor und Chorregent von St. Emmeran.

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[1] Ihr grosses Requiem = Requiem für Soli, Chor und Orchester, op. 60.
[2] Stabat mater = Stabat mater für Chor, Orgel und Streichorchester, op. 138 Uraufführung am Karfreitag 3.4.1885 in der Allerheiligen-Hofkirche.