Franziska Rheinberger berichtet über die langsame Erholung von der Krankheit.


München, 8.October 87

Mein lieber Schwager!

Ihr alle müsst mir schon verzeihen, dass ich so lange stumm war und Eure lieben Briefe unbeantwortet liess. Ich war Euch gewiss dankbar für Eure liebe Theilnahme, allein es stürmete so Vieles auf mich ein in dieser Schreckenszeit, dass mir gar oft die innere Ruhe fehlte, um mich gegen meine Nächsten auszusprechen. Warum mir der liebe Gott die schwerste Prüfung zu einer ohnedem qualvollen Krankheit auferlegt hat, dass ich meine teure Mutter weder im Leben noch im Tode mehr sehen durfte, weiss nur Er allein. Er hat es so gefügt; aber Er hat mir auch die Kraft gegeben, diese schreckliche Entsagung ohne Murren zu ertragen. [...] [Meine Mutter] wurde mit Blumen überschüttet, ihre Beerdigung war grossartig (natürlich auch Curt zu Liebe) - nun ruht sie! Einmal habe ich sie auf dem Friedhof besucht, da man nahe zur Grabstätte hingehen kann, aber ich glaubte doch, ich müsse an Ihrem Erdhügel zusammenbrechen. [...] Der Diener Mark hat mir sehr geholfen. Vor Allem als ausgezeichneter Krankenwärter und jetzt als Verwalter meiner Sachen. Allmälich zieht Ordnung ein. -

Ich kann jetzt zur Noth Treppen steigen, habe aber an allen Gelenken, an Ellbogen und Schultern und Händen wie an den Knien starke Schmerzen, besonders Nachts. Curt ist Gott sei Dank wohl, nur leidet er schon wieder an Husten. Die Kreutherluft hatte ihm so gut gethan gehabt. Mit seiner Hand geht es ziemlich gut. [...]

Curt's Kunst macht uns immer nur Freude. Heute bringt die Cölnerzeitung einen sehr rühmenden Aufsatz über sein neues Streichquartett, welches mit grossem Entzücken dort gehört wurde. Auch hat er heuer wieder sehr gute Schüler: Amerikaner, Griechen, Italiener. Alle suchen seine jetzt sehr berühmt gewordene Schule. Mama's Tod hatte ihn sehr angegriffen - jetzt wird er wieder heiterer.

Nun nochmals Lebewohl und 1000 Grüsse von Eurer getreuen

Fanny.

______________