Frederico Consolo bittet Josef Rheinberger um seine Meinung bezüglich der Veröffentlichung altertümlicher Musik.


20.11.1889

Ich erlaube mir, Ihnen mitzutheilen, dass ich mich seit vielen Jahren der musikalischen Litteratur des Altertums gewidmet. Da ich viele Jahre im Orient gelebt, so habe ich mich auf die Geschichte der griechischen Musik verlegt. Diese Studien sind mir von grossem Nutzen gewesen und ich darf ihnen mit Genugthuung mittheilen, dass ich eine Sammlung aller hebräisch-spanischen Melodien habe. Als Israelit von spanischer Abkunft habe ich mit Leichtigkeit an den Originalquellen schöpfen können. Diese Sammlung besteht aus mehr als 400 Stücken welche wenigstens über tausend Jahre alt sind; ohne je in irgend einem Welttheil niedergeschrieben worden zu sein, sind sie von Generation zu Generation überliefert worden; denn ich kenne alle Sammlungen dieser Art Musik, welche in Deutschland und Frankreich im Druck erschienen sind.

Glauben Sie, grosser Meister, dass es von künstlerischem Nutzen sein wird, das Publikum mit dieser Sammlung bekannt zu machen? Ich beachsichtige, zu mehreren dieser Melodien die Begleitung für Piano-Porte zu schreiben. Diese Melodien sind ausserordentlich schön klingend. Haben Sie die ausserordentliche Güte, mich mit einer Antwort in Beziehung auf das genannte Werk beehren wollend. Sollten Sie dasselbe zu sehen wünschen, so würde ich selbst nach Deutschland reisen, um es Ihnen vorzulegen.

Empfangen Sie, grosser Meister, nochmals meinen innigsten Dank und den Ausdruck meiner tiefgefühlten Verehrung. Ihr ganz ergebener

Federico Consolo.

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