Franziska Rheinbergers letzter Brief nach Vaduz.


München, 25.9.1892

Mein lieberSchwager Peter!

Dein Brief hat mir eine ebenso grosse Freude als Beruhigung gegeben, weil ich aus demselben ersah, dass es Euch recht ist und auch Olga nichts dawider hat, sich bei uns wieder niederzulassen, und dass sie mir und ihrem Onkel eine liebe praktische Stütze sein will. Erst heute war es mir möglich, ihr ein Zimmer über uns zu mieten; das gleiche, welches längere Zeit von Gräfin Marie Pocci bewohnt war, welche solange bei Frau Geschnitzler blieb, bis ihres Vaters Haus auf dem Dultplatz fertig war. Die Damen, welche am 1. Oktober einziehen und sowohl Entresol, als auch 2. Stock nehmen und theilweise vermiethen, scheinen mir sehr anständig: eine Wittwe und ein Fräulein. Olga erhält das letzte Zimmer vorne heraus und habe ich soeben auf unserm Speicher die Sachen ausgesucht, welche zur Einrichtung nöthig und behaglich sind. Selbstverständlich wird mir Olga eine werthvolle Gesellschaft und Stütze sein und ist es mir für meinen Mann eine ausserordentliche Beruhigung ihn unter ihrer lieben Pflege zu wissen für den Fall mir irgend etwas zustossen wollte. Er ladet sie hiermit gleich mir mit vollem Vertrauen ein, zu uns zu kommen - möge der liebe Gott und ihr Schutzengel ihr Kommen segnen und jede Gefahr von ihr ferne halten. - -

Ich denke, vom 4. oder 5. October an wird Alles in Ordnung sein - das Fehlende kann man ja nachholen - es steht noch Vorrath auf dem Speicher - Bücher und Unterhaltung steht ihr zu Diensten - und unsere ganze Wohnung. Nur möge sie kein Heimweh bekommen und nicht krank werden!! [...]

Es geht mir ziemlich gut, doch sind die Glieder - namentlich die Knöchel noch schmerzend und im Genick - gar bald ein stechender Schmerz, wenn ich zuviel denke oder schreibe. Grüsse Deine liebe Frau und Familie tausendmal - gebe Gott, dass Olga nur Gutes bei uns erlebe. Ihr Onkel hegt das grösste Vertrauen in sie, und ich weiss, dass sie dasselbe auch ferner rechtfertigen wird.

Ich aber danke Dir schon jetzt für alle Liebe, die sie ihm und mir erweisen wird.

Gott mit uns.

Tausend Grüsse von Deiner getreuen Schwägerin Fanny.

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