Rheinberger berichtet Olga aus den Ferien über Wetter, Gesundheit und Gesellschaft


Bad Kreuth 16.8.94

Mein lieber Olgus!

Also „unausstehlich und massleidig“[1] (sic) bist Du geworden? Das ist mir ein schöner Erfolg Deiner Ferien! Da ich dieselben kostbaren Eigenschaften auch besitze, so kann das eine hübsche Haushaltung werden!

Seit ich hier bin, waren im Ganzen nur 7 Regentage, sonst immer schön Wetter; jetzt aber scheint es sich zu ändern. Auch die Gesellschaft fängt an, ungemüthlich vornehm zu werden. Ich denke bis gegen Ende d.M. hierzubleiben, dann auf ein paar Tage nach München, dann nach Starnberg zu gehen - nous verrons! Ille's, die Dich grüssen lassen, sind sehr gemüthlich, doch sehe ich sie nur bei Tisch und Abends, da „er“ fleissig für die fliegenden Blätter[2], und „sie“ für Jugendschriften arbeitet. -

Also Egon malt eifrig an dem rothen Haus? ich wünsche, dass es schöne Fresken sein mögen; aber nur nicht etwa das rothe Haus gelb oder blau anstreichen - das wäre schrecklich! Mein uninteressantes Befinden ist etwas besser als im vergangenen Sommer, aber das schöne Trio: Schlaflosigkeit, Asthma und Nervosität bleibt sich gleich - ich bin schon bald daran gewöhnt; da kann kein Quaglio[3] oder Kneipp helfen!

Grüsse mir Deine lieben Angehörigen recht herzlich und alle die Leute, die sich etwa noch meiner erinnern - es werden deren wenige sein!

Hält sich die Orgel in der Kirche[4] noch gut? Es wäre sonst schade um das herrliche Werk. -

Nun ist es 10 Uhr, da nehme ich eine halbe Semmel und einen Schluck griechischen Weines (auf das Wohl des verdriesslichen Olgus) und eile meine Epistel zu schliessen. Schreibe mir, so wie Du Dich gebessert hast, sonst schicke ich Dir in München den Quaglio auf den Hals und der verbietet immer gleich das Bier!

Wie immer

Dein herzlich ergebener Onkel
Jos. Rheinberger.

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[1] Mundartlich: schlecht gelaunt.
[2] Die Münchner „Fliegenden Blätter“ erschienen von 1844 bis 1944 und waren der erste erfolgreiche Versuch, in Deutschland eine satirische Zeitschrift herauszugeben.
[3] Quaglio oder Kneipp = die Heilmethoden der beiden Naturärzte waren zu jener Zeit allgemein bekannt geworden. In Rheinbergers Bibliothek befand sich „Meine Wasserkur“ von Sebastian Kneipp.
[4] Z. 27: die Orgel in der Kirche = Rheinberger hatte 1874 die von ihm entworfene neue Orgel der Pfarrkirche Vaduz kollaudiert. (Vgl. Band V, S. 12ff.)