Der Dichter Hosäus bedankt sich für die Übersendung eines Gedichtbandes von Fanny Rheinberger


Dessau, den 4. Oktob. 1895

Hochverehrter Herr Professor!

Indem ich Ihnen meinen herzlichsten und wärmsten Dank für gütige Übersendung der Gedichte ihrer sel. Frau Gemahlin sage, spreche ich Ihnen zugleich aus, mit welcher Begeisterung und Verehrung für die verklärte Verstorbene mich die freilich bisher nur fleissige Lekture derselben erfüllt hat. Die Wahl der Gegenstände, die Betonung des erzählenden Moments, die charakteristische Sprache usw. stellt die Dichterin würdig an die Seite unserer grössten deutschen Dichterin, Annette Droste-Hülshoff. Die Gedichte „Vor einer alten Uhr“, „Verzagt“, „Gezeichnet“, einiges aus dem Gedicht-Cyklus „Fahrender Schüler“, die Erzählung „Benedictus Moricho“, mit dessen Psalmen ich in Paris bekannt wurde, u. a. hat mich besonders frappirt. Dass ich der Verfasserin im Geiste bei der Feier der hl. Elisabeth begegnet bin, ist mir eine rührende Freude. Im 7. 1887 wurde von mir ein geistl. Spiel „Die hl. Elisabeth“ gedruckt, von dem ich eine Anzahl Exemplare und einen Theil des Honorars derselben Kirche in Eisenach widmete, wie Ihre Frau Gemahlin.

Für heute schliesse ich, aber gewiss werde ich noch oft auf die schöne Gedicht-Sammlung, die mir wie kaum eine andere sympathisch ist, zurückkommen.

Mit der Bitte, mir auch ferner Ihr freundliches Wohlwollen zu bewahren, zeichne ich, Sie meiner aufrichtigen Hochverehrung und Antheilnahme versichernd

Ihr ganz ergebener
Dr. W. Hosäus.

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