Max Reger dankt Rheinberger dafür, dass er die Widmung eines seiner Orgelwerke annimmt und sendet ihm weitere Werke


Weiden, bayerische Oberpfalz,

Allee 22, 12. Jan. 1900

Hochgeehrter Herr Geheimrath!

Verbindlichsten Dank für Ihren freundlichen Brief; es freut mich sehr, dass Sie die Dedikation eines grösseren Orgelwerkes von mir annehmen.

Unterdessen habe ich Herrn Rob. Forberg gebeten, Ihnen meine opera 27[1] u. 29 zuzusenden und werden Sie selbe schon erhalten haben; in diesen 2 Orgelwerken wie in der bei Aibl erschienenen Orgelfantasie[2] über „Freu dich sehr, o meine Seele“ werden Sie finden, dass auch ich auf dem Standpunkte der wirklichen 4- oder 5stimmigen Polyphonie (Bach!) stehe, und sind meine demnächst ebenfalls bei Aibl erscheinenden 2 Orgelwerke op. 40a u. b (Phantasien über „Wie schön leucht't uns der Morgenstern“ und „Straf mich nicht in Deinem Zorn“) wieder im Style meiner opera 27, 29 etc. Die Sonate op. 33 ist mehr ein „romantischer“ Ausflug meinerseits und stehe ich vollkommen, was Orgelsachen anbelangt, auf den Prinzipien, welche einem das Studium Bach's lehrt.

Ich gestatte mir Ihnen mit diesem Briefe eine 4händige Übertragung der Bach'schen Emoll-Fuge und Präludium zu senden, aus dem inneren Titel werden Sie ersehen, dass schon eine ganze Reihe derartiger vierhändiger Arrangements von mir erschienen sind; ebenfalls bei Augener gab ich heraus Bach'sche Orgelwerke für 2 Hände (Klavier) übertragen (Sehr schwer!). Augener hat noch einige 4händige Arrangements (Bach) im Manuskript von mir.

Dass meine Orgelsachen nicht leicht sind, das ist mir selbst schon zur Überzeugung geworden; allein, ich denke bei gründlichem Studium wird man die Schwierigkeiten schon überwinden können; ich habe seit 6 Jahren  k e i n e  Orgel mehr geübt und war letzten Herbst doch im Stande meine Orgelfantasie op. 30 ohne Stockung zu spielen; da dürfte sich ein Berufsorganist doch darin noch leichter thun als ich.

Ausser verschiedenem anderen habe /ich/ nun als op. 42 Vier Sonaten für die Violine allein  (ohne jede Begleitung) geschrieben, und werden die Sonaten ebenfalls bei Aibl erscheinen. Wenn Sie es interessiert und Sie mir Ihre gütige Erlaubnis geben, werde ich es mir zur Ehre. rechnen, Ihnen nach Erscheinen der Sonaten ein Exemplar zuzusenden.

Hoffentlich finden die von Herrn Forberg Ihnen gesandten Orgelwerke op. 27 und 29 Ihren Beifall und würde es mich sehr freuen wenn Sie die grosse Güte hätten, mich mit einigen Zeilen über meine opera 27 und 29 zu erfreuen. Mit der Bitte um gütige Antwort und der Versicherung ganz vorzüglichster Hochachtung

und bestem Grusse

ergebenster
Max Reger.

/P.S./Aber, wie sollte ich denn Ihre Aussetzungen an meinem op. 33 übelnehmen! Das Werk ist sehr schwer richtig „geniessbar“ zu machen und gehört sich schon ein sehr geistvoller Organist dazu. Darf ich nochmals um gütige Antwort bitten! Verbindlichsten Dank im Voraus!

 

 

 

 

 

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[1] meine opera 27 u. 29 = Phantasie über den Choral „Ein' feste Burg ist unser Gott“ für Orgel, komp. 1898, und Phantasie und Fuge c-moll für Orgel, komp. 1898.
[2] Orgelfantasie op. 30 = „Freu' dich sehr, o meine Seele“, komp. 1898.