Carl Grossmann berichtet Rheinberger über einen Quartettabend, dessen Programm verlorenging


Berlin IV., 15. Januar 1900

Kirchbachstr. 3,

Sehr verehrter, lieber Herr Professor!

Mit grosser Freude sende ich dieses Programm ab. Denn:

1. wurde ausgezeichnet gespielt, und

2. wurde ebenso ausgezeichnet zugehört.

Ich persönlich hatte grosse Freude, wie auch der ganze Zuhörerkreis, und wir bezeugten den ausgezeichneten Spielern unseren Dank in ausgiebigster Weise. In Summa: Wir hatten wieder einmal den so seltenen, ungetrübten Quartettgenuss.

Fürchten Sie nichts, verehrter Herr Professor, von den sogenannten „Modernen“, wie Sie schrieben. Es giebt noch sehr, sehr viele Menschen, die unsre theure Musik um ihrer selbst willen lieben, davon bin ich gestern wieder überzeugt worden. Ihr alter dankbarer, stets ergebener Schüler gehört auch dazu, und ich bin noch lange nicht fertig, obwohl ich ebenfalls schon 57 1/2 Jahr alt bin. Doch was haben wir zu versäumen? Unser ist ja die ganze Ewigkeit.

Im Bloch'schen Gesangverein gab's neulich: „Lockung“, op.25, und auch „Maitag“, op. 64, habe ich in einem speciellen Damen Chor gehört.

Verzeihen Sie gütigst, verehrter Herr Professor, diese flüchtigen Zeilen, ich habe gar viel zu thun, denn unsere Saison ist jetzt auf dem Höhepunkte. Es ist geradezu unglaublich, was hier für Musik gemacht wird!! Aber immer sind Leute zum Hören da. Das ist ebenso unglaublich.

Ich wollte nur gerne schleunigst dieses Programm absenden und mich wieder einmal nennen

mit herzlichem Gruss

Ihren alten dankbaren Schüler
Carl Grossmann.

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