Die „Allgemeine Zeitung“, München, vom 3.3.1900 druckt einen Bericht über die Aufführung von „Wallenstein“ von Th. Kreyer


Musikalische Akademie.

Das sechste Abonnementskonzert brachte an der Spitze das symphonische Tongemälde „Wallenstein“ op. 10 von Joseph Rheinberger (komponiert 1866).

Das Werk entstammt der Jugendzeit unseres Meisters; es ist das Produkt naiver Schaffensfreude und intensifsten Kraftgefühls. In den vier, formell der klassischen Symphonie strikte nachgebildeten Sätzen - die Bezeichnung „symphonisches Tongemälde“ schliesst die modernen Begriffe Einsätzigkeit und Amorphie in sich, entspricht also nicht den Tatsachen - in den vier Sätzen sprüht das Feuer der Empfindung, pulst der Antrieb phantastischen Gestaltens in einer Lebhaftigkeit, wie sie wenigen Tonschöpfungen eigen ist.

Gleich das Vorspiel, ein stürmisch hereinbrechendes Allegro, entfesselt wie mit Zauberschlag alle Lebensgeister von trotzig rauher Kampflust bis zum schwermüthigen Brüten. Wir sind mitten im Lager der Wallensteiner; der Satz führt uns dies in kaleidoskopischer Mannigfaltigkeit und Treue vor Augen. Da tollen und tummeln sich die martialischen Kerle, plaudernd und singend, fluchend und scherzend, mit wuchtigem Tritt zieht die Wache auf und in emsiger Geschäftigkeit hasten Marketender um das Lagerfeuer. Aber in die allgemeine Daseinsfreude werfen zwei Gedanken der Durchführung, das wiegende Thema in A-moll und das auch im zweiten Satz auftauchende Hymnenmotiv, einen düsteren Schatten. Auf das Vorspiel folgt ein „Thekla“ überschriebenes Adagio. Es ist von wunderbarer Wärme der Empfindung. Sein reicher motivischer Inhalt gelangt durch eine meisterhafte architektonische Struktur zu freiester Lebensentfaltung. In den eingeflochtenen Episoden schimmert der tief gefärbte Untergrund durch.

„Wallensteins Lager und Kapuzinerpredigt“, das berühmte Scherzo der Symphonie, malt die allbekannten Scenen mit drastischer, oft verblüffend origineller Farbengebung. Der Schlusssatz „Wallensteins Tod“ endlich bringt die Katastrophe mit scharfgestrichenen Linien. Die Menge des poetischen Stoffes scheint er uns allerdings nicht ganz bewältigt zu haben, aber es geht doch ein mächtiger Zug durch das Stück, eine Grösse der Auffassung, die unmittelbar packt.

Die Symphonie wurde unter Fischers Leitung nicht bloss in den Umrissen und im Detail korrekt, sondern auch recht schwungvoll zu Gehör gebracht und fand so enthusiastischen Beifall, dass Meister Rheinberger dem Publikum wiederholt sich zeigen musste. Er erhielt auch einen Lorbeerkranz.

(Dr. Th. Kroyer).

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