Rheinberger schreibt an seine Nichte Olga, bedankt sich für Obst und Honig aus Vaduz und berichtet über seine Befindlichkeiten.


München, den 7.10.01

Meine liebe Olga!

Eure Karte aus Einsiedeln habe ich wohl erhalten - ebenso heute Deinen Brief und noch Abends Eure rothbackigen Äpfel und grünen Birnen. Da ich zum Frühstück auch Euren Honig verzehre, so ist es wohl begeiflich, dass ich oft an Vaduz denken muss.

Gestern besuchte mich Dr. Nebesky; seine Mama ist zwar bettlägerig, aber. durchaus nicht schwer krank, er selbst kommt auf ein paar Tage (zur Weinlese) nach Vaduz und wird Euch wohl besuchen.

Bever habe ich noch nicht gesehen; er ist wahrscheinlich noch bei einer seiner (36) Tanten auf Besuch.

Das Wetter ist seit vorgestern in's Spätherbstliche verfallen, nachdem es 3 Wochen sehr schön war.

Wegen meinem Befinden sollst Du Dich nicht ängstigen. Unter Tags ist es ziemlich gut, nur die Nächte sind (wie immer) schlaflos und voll Husten, so dass Marie jede Nacht wohl zweimal mit Eibisch-Thee oder irgend einem anderen Hustenmittel erscheint. Die Verpflegung(und Appetitt) ist gut - ich gehe (vielmehr fahre) jeden Tag ein oder zweimal aus und bin im Übrigen geduldig, da Ungeduld doch nichts hilft. Dr. Guido Stieler sieht jeden zweiten oder dritten Tag nach. -

Generalin von Schellhorn ist in Berlin - von Deinen Freundinnen bekomme ich keine zu Gesicht. -

Du wirst jetzt bald „wimmeln“ und die Geschäftsfrau spielen müssen! Fanny macht sich ganz ausgezeichnet im Dienst; leider ist ihr Vater schwer krank, und wir würden sie wohl verlieren, wenn er stürbe. So kann man nie recht zur Ruhe kommen. Heinrich soll noch keinen Platz haben. -

So, jetzt weiss ich nichts mehr! Behüt' Euch Gott und bleibt gesund, vertragt Euch gut und rauft nicht miteinander wie einst die Urbesitzer[1] des rothen Hauses!

Mit besten Grüssen
J. Rheinberger.

 

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[1] die Urbesitzer des rothen Hauses = Im Mittelalter gehörte das Rote Haus den Vaistli, einem werdenbergischen Dienstmannengeschlecht, von denen es 1525 das Kloster St. Johann im Thurtal erwarb. Nach Aufhebung des Klosters kaufte 1807 Johann Rheinberger das Anwesen samt dem Weinberq („Abtswingert“).