Rheinbergers letzter Brief an seine Nichte Olga sollte sie betreffend seinem Gesundheitszustand beruhigen.


München, den 1. Nov. 01

Meine liebe Olga!

Meine Pensionsangelegenheit ist nun geordnet und Dein Onkel hat jetzt alle Tage „Vakanz“, was ich (leider) sehr gut brauchen kann - denn gleich nach gehobener Bronchitis erschien eine heftige Halsentzündung, die mir durch mehrere Tage das Schlucken fast unerträglich, ja fast unmöglich machte. So kann man auch im Überfluss ein armer Schlucker sein. Marie musste jede Nacht 3-4 mal mit Eibischtee, Medizin usw. erscheinen. Nun geht das Schlucken wieder gut aber bei dem zwar schönen, aber eiskalt windigen Wetter habe ich halt Hausarrest.

Dr. Stieler ist sehr sorg- und aufmerksam.

Nun habe ich doch wenigstens Zeit, alle Briefschulden zu tilgen. Hast Du auch alle Deine Weingeschäfte in Ordnung? Du scheinst zu sorgen, dass ich Dich pressire, bald zu mir zu kommen - das ist nicht der Fall; ich weiss ja recht gut, wie nöthig Deine Anwesenheit im rothen Haus ist. Schone nur auch Deine Gesundheit und sei nicht gar zu ängstlich wegen der Gesundheit Anderer.

Lebewohl und trinke - wenn Du Durst hast - lieber guten Vaduzerwein als schlechtes Vaduzerwasser.

Mit herzlichem Gruss

Euer Onkel
Jos. Rheinberger.

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