Fürst Johann II. behält sich die Entscheidung über die Anzahl der von ihm zu ernennenden Landtagsabgeordneten bis zur endgültigen Verfassungsrevision vor


Maschinenschriftliches Schreiben der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien, gez. Prinz Eduard von Liechtenstein, an die Regierung [1]

10.6.1919, Vaduz [!]

Unter Bezugnahme auf die dortigen Berichte an Seine Durchlaucht den Fürsten [Johann II.] vom 25.IV. und 12.V.l.J, Zl. 2023 [2] u. 2230 [3], beehre ich mich auf Grund hoher Weisung Seiner Durchlaucht ergebenst mitzuteilen, dass Seine Durchlaucht sich derzeit nicht bestimmt finden, in der Frage der Anzahl der Landtags-Abgeordneten, welche von Seiner Durchlaucht ernannt werden, Höchstseine Stellungnahme zu erklären, sondern vielmehr der Meinung sind, dass über diese Frage erst anlässlich der Entscheidung über die im Zuge befindliche Verfassungsänderung, welche nur als ein Ganzes und nicht stückweise erfolgen kann, ein Entschluss zu fassen sein wird. [4]

Der fürstliche Gesandte:

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[1] LI LA RE 1919/2874 ad 71.
[2] LI LA RE 1919/2023 ad 71, Bericht der Regierung an Prinz Eduard vom 25.4.1919 "betr. die derzeitige politische Lage". Nach § 55 der Verfassung vom 26.9.1862 wurden 3 der 15 Mitglieder des Landtags vom Fürsten ernannt. In der Landtagssitzung vom 16.4.1919 war als Grundlage für die bevorstehende Verfassungsrevision einstimmig der Beschluss gefasst worden, dass künftig das Oberland 8 Abgeordnete und das Unterland 5 Abgeordnete stellen sollten. Vom Fürsten sollten hingegen nur mehr 2 Abgeordnete über kollegialen Vorschlag der Regierung ernannt werden (vgl. das Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 16.4.1919, LI LA LTA 1919/S04). Eine Erhöhung der Zahl der vom Volk gewählten Landtagsabgeordneten von 12 auf 17, wobei die Zahl der vom Fürsten ernannten Abgeordneten bei drei geblieben wäre, war in der Volksabstimmung vom 2.3.1919 abgelehnt worden.
[3] LI LA RE 1919/2230 ad 71, Schreiben des Landtagsvizepräsidenten Friedrich Walser an die Regierung vom 30.4.1919. Darin findet sich auch ein kurzer Bericht von Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein vom 12.5.1919 "betr. Verschiebung des Verhältnisses zwischen den zu ernennenden und zu wählenden Landtagsabgeordneten", in welchem Fürst Johann II. um die Genehmigung des obgenannten Landtagsbeschlusses vom 16.4.1919 ersucht wurde.
[4] Die Angelegenheit wurde am 12.6.1919 ad acta gelegt. Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBl. 1921 Nr. 15, sieht keine vom Fürsten ernannte Landtagsabgeordnete mehr vor.