Provisorische Vorschriften betreffend die Waisenamtsmanipulation


[Provisorische Vorschriften betreffend die Waisenamtsmanipulation][1]

vom 31. Mai 1843

Normale,[2]

wodurch die provisorischen Vorschriften zum Uebergange in die Verschmelzung der isolierten oder singulären mit der cumulativen Waisenamtsmanipulation kundgemacht werden.

Se. Durchlaucht geruhten zwar in Höchstihrer unausgesetzten Sorgfalt für das Wohl der grossjährigen sowohl als minderjährigen Unterthanen und um den mit öffentlichen Geschäften überhäuften Beamten alle nur mögliche Erleichterung in der Waisenamtsrechnungsführung zu verschaffen, die Verschmelzung der isolierten mit der cumulativen Waisenvermögens-Verrechnung bereits gnädigst zu dekretiren; da jedoch dieser Uebergang alle Umsicht, mithin öftere Berathungen in Anspruch genommen, und hiedurch sich der Entwurf der nöthigen Formularien so verzögert hat, dass diese neue Manipulation nicht vor dem 1. Jänner 1844 ins Leben treten kann, es aber gleichwohl wünschenswerth ist, diesen Uebergang schon in dem laufenden Jahre vorzubereiten, so wird den Aemtern diessfalls Nachfolgendes verordnet:

§ 1

Vom 1. Juli bis 31. Dez. 1843, nämlich bis zum Abschlusse der 1843er isolierten Waisenrechnung müssen alle bereits inliegenden-unfruchtbringenden Baarschaften, so wie alle in diesem Zeitraume im baaren Gelde geschehenden neuen Einlagen und alle durch ganze oder theilweise Rückzahlungen von Kapitalien baar eingehenden Beträge elozirt werden, und zwar alle einzelnen Beträge, welche 250 fl. C.M. übersteigen, isolirt, das ist auf den Namen des betreffenden einzelnen Pupillen oder Kuranden, und alle Beträge von 20 kr. bis 20 fl. C.M. in cumulativer Art, das ist mittelst Schuldscheinen, welche für die gemeinschaftliche Pupillenkasse, das ist für das cumulative Waisenamt lauten.

Die kleinen Baarschaftsparzellen unter 20 kr. bleiben einstweilen bei jedem Waisen unfruchtbringend erliegen.

§ 2

Für die Elozirung auf den Namen einzelner Pupillen ist sich fortan nach Vorschrift des §°230 b.G.B. zu benehmen. Bei der cumulativen Elozirung der Waisengelder werden aber nachstehende Vorsichten zu beobachten seyn:

dass der Schuldschein nur in Conventions-Münze ausgestellt werde;

dass die gesetzliche Sicherheit bei Grundstücken von zwei Drittel auf drei Fünftel, bei Häusern ohne Grundstücken aber von der Hälfte auf zwei Fünftel des Schätzungswerthes restringirt und zur unwandelbaren Basis angenommen werde;

dass cumulative Kapitalien auf Brandweinhäuser, Lederhäuser, kurz auf Realitäten, wo das damit verbundene Regale den schwankenden Hauptwerth bildet, dann auf Judenhäuser und jüdische Schulsessel niemals von den Aemtern eloziert werden dürfen, doch bleibt es denselben anheim gestellt, bei dem Mangel anderer geeigneter Elozierungshäuser oder in besonders rücksichtswürdigen Fällen um die Elozierungsbewilligung auf gedachte Realitäten in Beträgen von mindestens 300 fl. C.M. unter Allegirung des Grundbuchsextraktes und der gerichtlichen Schätzung der jüngsten Zeit bei der fürstl. Hofkanzlei motivirt einzuschreiten, welche allein eine Elozirung auf gedachte Realitäten zu bewilligen von Sr. Durchlaucht ermächtiget ist;

dass zu einer Elozierung von cumulativen Waisengeldern, im Betrage über 1000 fl. C.M. auf einer und derselben oder mehreren simultan verpfändet werdenden Hypotheken jedesmal die Genehmigung der fürstl. Hofkanzlei unter Vorlage des Grundbuchs- oder Landtafel-Extraktes eingeholt werden müsse.

§ 3

Die Sicherheit der im ganzen Jahre 1843 neu elozirten Kapitalien muss durch Grundbuchsauszüge nachgewiesen werden, welche in Originali der fürstlichen Buchhaltung gleich mit der Rechnung respective mit dem Nachweise des verzinslichten Aktivstandes mitgetheilt, und nach Rückerhalt derselben zu den betreffenden Schuldscheinen in die Waisenkassa eingelegt werden müssen.

§ 4

Die isolirte Waisenamtsrechnung bleibt heuer noch in ihrer bisherigen Form und wird Behufs der Durchführung der cumulativen Elocirung ein Muster hiezu in A. beigelegt.[3] Der darin enthaltene spezielle Bedeckungs-Nachweis wird heuer nur rücksichtlich des unverzinslichen Vermögensrestes mit einer kleinen Abänderung der Rubriken ausgefüllt, da er künftig und auch schon jetzt in der 1843er Rechnung rücksichtlich der verzinslichen Kapitalien durch einen summarischen Nachweis der elozirten und rückbezahlten Kapitalien füglich substituirt werden kann, wie dies aus der Exemplifikation deutlicher zu entnehmen ist.

Der leere Raum, wo früher die Realhypothek nachgewiesen wurde, ist zu den nöthigen Anmerkungen über die Verfallszeit der unverzinslichen Forderungen über die Benutzungweise der Realitäten etc. zu verwenden, nur müssen diese Bemerkungen bei strengster Verantwortung durchaus auf actenmässige Verhandlungen gestützt und so beigesetzt werden, wie sie in den Passiv-Büchern enthalten sind. Die Durchführung der cumulativen Elocirung geschieht in dem Passivbuche auf dieselbe Art wie in der Rechnung, in dem Activbuche wird aber bei dem betreffenden Schuldner statt dem Namen des Waisen die cumulative Waisenkasse angesetzt, und dies zwar ohne Unterschied, ob der Schuldner schon etwas oder noch gar nichts an einzelne Waisen schuldet.

§ 5

Die cumulative Elocirung wird unter der Rubrik: Vermögensgebahrung anno 1843, ganz so durchgeführt, wie jene für einzelne Waisen, da es künftig beim Passivstande des Waisenamtes, d.i. bei den Forderungen der Waisen einerlei seyn wird, ob die Substanz ganz isolirt oder ganz cumulativ oder ob sie zum Theile cumulativ inneliege.

§ 6

Nur im Nachweise des Activstandes muss die Unterscheidung der verzinslichen Capitalien, wie viel davon einzelnen Waisen und wie viel der gemeinschaftlichen Pupillenkasse angehören, mit aller Verlässlichkeit geschehen.

§ 7

Um diesen Nachweis zweckmässig zu liefern, wird beiliegend das Formular zu einem Ausweise B[4] über die Elocirung und Rückzahlung von verzinslichen Waisenamtskapitalien hinausgegeben, in welchem vor allem die Ende Dezember 1842 in der Verrechnung gebliebenen verzinslichen Activ-Capitalien nach Unterschied ihres Zinsfusses mit den davon ganzjährig entfallenden Interessen, sodann nicht nur die baar elocirten oder baar rückgezahlten, sondern auch die, mittelst auf den Namen der Waisen lautenden Schuldbriefen, eingelegten oder mittelst Zuweisung solcher Schuldbriefe den abgefertigten Waisen erfolgten Capitalien mit den pro Rata entfallenden Interessen aufzunehmen sind.

Endlich wird der Abschluss gemacht, d.i. die elocirten mit den bereits in Verrechnung gestandenen Kapitalien, und dann die Rückzahlungen summirt, die letzteren von ersteren abgezogen, und der Kapitalien-Rest nach dem verschiedenen Zinsfusse ausgewiesen; beim Abschlage der Interessen dürfen aber nicht die von den rückgezahlten Kapitalien pro Rata zur Einkassierung vorgeschriebenen, sondern es müssen die auf den davon ganzjährig entfallenden Betrag noch fehlenden Interessen berechnet und angesetzt werden, weil die rückgezahlten Kapitalien bereits entweder unter den de ao. 1842 übertragenen oder unter den neu elocirten Kapitalien begriffen sind, von welchen bereits die bis zum 31. Dezember 1843 entfallenden Interessen in der Vorschreibung stehen. Diesen zur Einhebung vorgeschriebenen laufenden Interessen werden dann die älteren Interessen-Ausstände zugezählt und von der Summe wieder die auf die ausständigen und laufenden Interessen im Laufe des Jahres 1843 baar eingehobenen Beträge abgezogen und hiedurch der bleibende Ausstand nachgewiesen.

§ 8

Die in dem Anweise B. verkommenden Colonen: dafür baar ausgezahlt, und: dafür baar eingegangen, dann: verrechnet beim Waisenamte, bleiben zwar diessmahl unausgefüllt, da sie jedoch für die künftige Manipulation nothwendig sind, so dürfen sie nicht weggelassen, sondern es muss das hiezu erforderliche Druckpapier ganz so und in dem nehmlichen Formate wie das Muster beigeschafft werden, wozu der Bedarf gleich auf 2 Jahre an die Inspicirungsbehörden anzuzeigen und von diesen beschleunigt zur Anschaffungsveranlassung anher einzuberichten ist; die Prager Inspektion hat die Beischaffung für die Herrschaften ihres Bezirkes selbst zu besorgen. Zu den Waisenrechnungen darf aber pro 1844 kein Druckpapier mehr bestellt werden, weil hiezu ein anderes Formular demnächst vorgezeichnet werden wird; dagegen wird zu den Waisenamts Passiv- und Activbücher, so wie zu dem Abhandlungs-Verzeichnisse das vorräthige Druckpapier auch künftig verwendet werden können, nur müssen dort, wo der Werth der Realitäten und Fahrnisse in den Passivbüchern unter den unverzinslichen Kapitalien noch nicht enthalten ist, dieser im Verlaufe des Jahres 1843 dahin eingetragen, und unter die Interessen auch die Kassabaarschaft vertragen werden, weil die künftige Waisenrechnung nur die drei Rubriken: Verzinsliche Kapitalien, unverzinsliche Forderungen, Realitäten und Fahrnisse, dann Baarschaft und Interessen, enthalten wird.

§ 9

Um den Uebergang in die neue, wesentlich vereinfachte Manipulation sich und der Revision möglichst zu erleichtern, haben die Rechnungsführer alle Mühe anzuwenden, um die 1843er isolierte Waisen-Rechnung genau nach der gegenwärtigen Normalvorschrift zu verfassen und besonders die § 4 erwähnten Anmerkungen mit vollständiger Begründung beizusetzen.

§ 10

Zum Behufe der angeordneten cumulativen Elocirung der 250 fl. C.M. nicht übersteigenden Baarschaftsantheile sind die Waisenbücher bis Ende Juni ordentlich durchzugehen, die zu elocirenden Antheile in ein Verzeichniss zusammenzustellen und allmählig die Elocirung ins Werk zu setzen, dann in dem Verzeichnisse als vollzohen zu bemerken, wobei zuerst die bedeutenderen, 20 fl. C.M. übersteigenden Baarschaftstheile, dann von den kleineren Antheilen zuerst diejenigen zur Elocirung zu bringen sind, welche schon vom Jahre 1842 unfruchtbringend übertragen wurden, und unter diesen ist wieder jenen der Vorzug zu geben, welche schon seit mehreren Jahren unverzinlich inneliegen.  Sollte hie und da die Elocirung einheimisch zur Gänze nicht ausführbar sein, so sind die hiezu disponiblen Beträge durch die Inspicirungs-Behörden und Buchhaltung längstens bis Ende November 1843 mit den zweckdienlichen Anträgen, welche jedoch keineswegs dahin lauten dürfen, dass die Elocirung auf Privathypotheken von hieraus bewerkstelliget werden möge, zur hierortigen Kenntniss zu bringen.

Uebrigens versteht es sich von selbst, dass in der Rechnung und im Passivbuche die Baarschaft nicht früher unter das verzinsliche Vermögen übertragen werden dürfe, als bis sie wirklich elocirt wird, was jedoch mit der grössten Energie zu bewirken die fürstl. Aemter aufgefordert werden müssen, um den Waisen und Schuldnern, welche wenigstens zum grössen Theile der Klasse der fürstlichen Unterthanen angehören, die Wohlthat der theilweise cumulativen Vermögensrechnung nicht länger vorzuenthalten.

§ 11

Den Vollzug der sogleichen Elocirung aller disponiblen Baarschaften werden die Inspicirungs-Behörden, die richtige Verrechnung aber und die zweckmässige Einflussnahme der betheiligten Local-Behörden die fürstl. Buchhaltung zu überwachen und jeden wider besseres Vermuthen wahrnehmenden Unbefolg oder lässige Beachtung der gegenwärtigen Vorschrift sogleich zur höchsten Kenntniss Sr. Durchlaucht zu bringen haben.

Wien, am 31. Mai 1843

Ad Mandatum.

Joseph Freiherr von Buschmann, m.p.

Fürstlich Liechtenstein’scher dirigirender Hofrat.

______________

[1] Druck. LI LA SgRV 1843.
[2] Registraturvermerk: Nr. 5988/6.
[3] Randvermerk: A. Das Formular fehlt.
[4] Randvermerk: B. Das entsprechende Formular fehlt.