Die Grenzkontrollstelle Feldkirch rechtfertigt die Gebührenerhöhung für die Sichtvermerkserteilung im Fernverkehr an Liechtensteiner


Maschinenschriftliches Schreiben der Grenzkontrollstelle Feldkirch, gez. Gaston Hausmann-Stetten, an die liechtensteinische Regierung [1]

 

 

22.7.1922, Feldkirch

 

Die vom Landwaibel [Gebhard] Walser bei der dortigen Regierung erstatteten Meldung über die Einhebung einer neuen Einreisegebühr in ausländischer Valuta entspricht nicht ganz den Tatsachen. [2]

Es wird lediglich für den Sichtvermerk zum Fernverkehr (Einreise- und Durchreisevisum) ein Betrag von 2 Franken [für] einmalige und Frcs. 5 für mehrmalige Reisen, aber zahlbar in Österr. Kronen zum jeweiligen offiziellen Tageskurs, statt der bisherigen 15 Kronen eingehoben. [3]

 

Diese Gebühren entsprechen genau den auch dort vorgeschriebenen Gebühren und sind insoferne noch milder als die dortige Visumgebühr von 2 Frcs. lediglich für einen Aufenthalt bis zu drei Tagen berechtigt, [4] während die Dauer des Aufenthaltes bei uns auf Grund des einmaligen Einreisevisums nicht beschränkt ist.

So sehr wir aus prinzipiellen Gründen Ihren Vorschlag auf gegenseitige Aufhebung der Visapflicht begrüsst haben [5] und bedauern, dass seitens des im Gegenstande angerufenen Ministeriums noch keine Entscheidung herabgelangt ist, [6] mussten wir doch angesichts unliebsamer Wahrnehmungen der letzten Tage zu dieser Angleichung der hierseitigen Visagebühren an die dort bereits bestehenden schreiten.

 

Bekanntlich besteht im kleinen Grenzverkehr, zu dem alle Bewohner des Fürstentums Liechtenstein berechtigt sind und für welchen im Gegensatz zum Verkehr mit der Schweiz keinerlei Visumpflicht besteht, lediglich die Vorschrift, dass Ein- und Ausreise am selben Tage zu erfolgen hat. Übertretungen dieser Vorschrift unterliegen auf Grund der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 15./X.1920, [7] LGBl. No. 93, einer Geldstrafe bis zu 20'000 Kronen. [8]

 

In Umgehung dieser Vorschrift des begünstigten Grenzverkehrs musste bedauerlicher Weise in der letzten Zeit des rapiden Kronensturzes die Wahrnehmung gemacht werden, dass zahlreiche Bewohner des Fürstentums Liechtenstein und zwar vorzugsweise die weniger erfreulichen Elemente, sich um den für sie geradezu lächerlichen Betrag von K 15.- ein Visum zum Fernverkehr beschafften, lediglich um die Nacht in Feldkircher Gasthäusern durchzechen zu können und der Strafe wegen Übertretung der Vorschrift des kleinen Grenzverkehrs zu entgehen.

Diesem Unfug konnte nicht anders gesteuert werden als dadurch, dass wir die Gebühren für Visa den dortamts in Übung stehenden angleichen. Andernfalls wären wir gezwungen gewesen, durch gänzliche Verweigerung des Visums Abhilfe zu schaffen.

Wir sind jederzeit bereit, den Bedürfnissen eines freundnachbarschaftlichen Verkehres nach Möglichkeit entgegenzukommen, müssen aber auf unsere durch die ungeheure Valutaspannung hervorgerufene gefährliche wirtschaftliche Lage verweisen, die uns manchmal zu Massnahmen zwingt, die wir selbst lieber vermieden hätten. [9]

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[1] LI LA RE 1922/3297 ad 2295. Aktenzeichen Zl. 1443/125. Betreff: Visagebühren zu Zl. 3188/Reg. vom 20.7.1922. Eingangsstempel der liechtensteinischen Regierung vom 25.7.1922.
[2] Landweibel Walser teilte der liechtensteinischen Regierung mit, dass Österreich gegenüber Liechtenstein künftig wieder Einreisegebühren verlangen werde und zwar in Frankenwährung und in der gleichen Höhe wie die liechtensteinischen Gebühren. Mit Schreiben vom 20.7.1922 an die Grenzkontrollstelle Feldkirch äusserte die liechtensteinische Regierung ihr Befremden und verwies darauf, dass sie schon die gänzliche Aufhebung der Einreisetaxen angeregt habe und in letzter Zeit schon den Vorarlberger Landesbürgern gegenüber von der Einhebung einer Einreisetaxe Abstand genommen worden sei LI LA RE 1922/3188 ad 2295). Vgl. in diesem Zusammenhang die Kundmachung der Regierung vom 24.6.1921 betreffend Neuregelung der Gebühren für Einreisebewilligungen, LGBl. 1921 Nr. 11, die für die Sichtvermerkserteilung eine Gebühr von 2 bzw. 5 Franken vorsah. Der kleine Grenzverkehr war davon nicht betroffen.
[3] Vgl. die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 24.4.1920, prs. Zl. 315, betreffend die Änderung der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 15.10.1919, LGBl. Nr. 93, über die Regelung des Verkehres an der Vorarlberger-Schweizerischen bezw. Liechtensteinischen Grenze, Vorarlberger Landesgesetzblatt 1920 Nr. 40: Dem neugefassten § 2 gemäss erfolgte die Vidierung liechtensteinischer Pässe für den Fernverkehr bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. Die Visumgebühr betrug 5 Kronen für eine einmalige Reise und 15 Kronen für ein Dauervisum für längstens 6 Monate.
[4] Vgl. das bereits erwähnte LGBl. 1921 Nr. 11.
[5] Vgl. das Schreiben der Grenzkontrollstelle Feldkirch an die liechtensteinische Regierung vom 30.5.1922, in welchem die Aufhebung der Visumzwanges zwischen Liechtenstein und Österreich „auf das Wärmste" begrüsst, gleichzeitig aber auf die Kompetenz des österreichischen Bundesministeriums für Inneres und Unterricht in dieser Frage verwiesen wurde (LI LA RE 1922/2415 ad 2295 (Aktenzeichen Zl. 1195/25)).
[6] Vgl. in diesem Zusammenhang das Schreiben der liechtensteinischen Regierung an die fürstliche Gesandtschaft in Wien vom 12.7.1922, in welchem letztere ersucht wurde, bei der kompetenten Stelle in Wien die Anregung der Regierung auf Aufhebung der Visumspflicht vom 23.5.1922 zu erneuern (LI LA RE 1922/2295).
[7] Richtig: 1919.
[8] Nach § 6 der genannten Verordnung waren – ursprünglich – Geldstrafen bis 200 Kronen oder Arrest bis 14 Tage vorgesehen.
[9] Zur Erhöhung der österreichischen Visagebühren erging eine Einschaltung der liechtensteinischen Regierung im „Liechtensteiner Volksblatt", in welcher bedauert wurde, „dass unter solchen Massnahmen immer mehr Unschuldige leiden als Schuldige." (L.Vo., Nr. 60, 29.7.1922, S. 1 („Grenzverkehr nach Österreich"); vgl. die diesbezügliche Mitteilung der Regierung vom 27.7.1922 (LI LA RE 1922/3297 ad 2295)).