Liechtenstein verlangt, seine Landesprodukte ohne Einschränkungen durch Österreich ausführen zu können


Maschinenschriftliches Schreiben des Vollzugsausschusses, gez. Martin Ritter, an das deutsch-österreichische Staatsamt der Finanzen [1]

25.11.1918

Während des Krieges hat die fürstlich liechtensteinische Regierung sich entgegenkommender Weise bereit erklärt, obwohl in dem zwischen Liechtenstein und Österreich-Ungarn bestehenden Staatsvertrage [2] nichts vorgesehen war, die Ausfuhr von Landesprodukten, welche über die Schweiz den Feinden der österr. ungar. Monarchie und deren Verbündeten zugute hätten kommen können, von der Zustimmung Österreich-Ungarns abhängig zu machen.

Nachdem nunmehr tatsächlich der Kriegszustand beendet ist, nimmt das Fürstentum Liechtenstein selbstverständlich wieder in Anspruch, seine Landesprodukte als souveräner, in dieser Richtung durch keine vertraglichen Bestimmungen gebundener Staat ohne weiteres Einvernehmen mit dem deutsch-österreichischen Staatsamte für Finanzen auszuführen.

Es wird erwartet, dass der Ausfuhr keinerlei Hindernis in den Weg gelegt wird und wird ersucht, die in Liechtenstein befindlichen Finanzorgane ohne Verzug im Wege der Finanzbezirksdirektion Feldkirch auf telegraphischem Wege anzuweisen, fragliche Ausfuhr unbehindert passieren zu lassen. [3]

Eine rasche und entgegenkommende Erledigung dieser Angelegenheit wäre im Interesse beider Teile gelegen, zumal mit Rücksicht darauf, dass nach der geschehenen Umwälzung der bisher bestandene Zollvertrag sich nicht mehr wird aufrecht erhalten lassen und in absehbarer Zeit eine Neuregelung eintreten muss.

______________

1] LI LA RE 1918/5068 ad 2. Eingangsstempel der Regierung vom 25.11.1918. Das Schreiben wurde am 25.11.1918 ins Reine geschrieben.
[2] "Vertrag zwischen Seiner Majestät dem Kaiser von Österreich und apostolischen Könige von Ungarn und Seiner Durchlaucht dem souverainen Fürsten von Liechtenstein über die Fortsetzung des durch den Vertrag vom 5. Juni 1852 gegründeten Österreichisch-Liechtenstein'schen Zoll- und Steuervereines" vom 2.12.1876 (LGBl. 1876 Nr. 3).
[3] Anlass für die liechtensteinischen Beschwerden war ein österreichisches Verbot, Pferde aus Liechtenstein in die Schweiz auszuführen (LI LA RE 1918/5162 ad 2/5068, Finanzbezirksdirektion für Vorarlberg und Liechtenstein an Vollzugsausschuss, 30.11.1918). Nachdem Liechtenstein auch energisch bei der Finanzbezirksdirektion protestiert hatte (LI LA RE 1918/5162 ad 2, Vollzugsausschuss an Finanzbezirksdirektion, 6.12.1918), übertrug das Staatsamt der Finanzen die Ermächtigung für Pferdeexporte der Regierung (LI LA RE 1918/5393 ad 2/5068, Telegramm Staatsamt der Finanzen an Finanzbezirksdirektion, 18.12.1918).