Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über den schlechten Zustand des herrschaftlichen Torkels, die Neubesetzung der Landwaibelstelle, ein Fieber, das viele Menschenleben kostet, die Verteuerung der Lebensmittel, Probleme mit der Zollordnung und bisher nicht ausgelieferter Urkunden aus dem Archiv in Vaduz.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1] 

In visitierung[2] der reben und beeder herrschaffts torglen[3] finde ich de præterito[4] eine solliche würthschafft, die allermäniglichen pro principio in ordine[5] zue einer geflissenen verwüestung dienen kan. Dahero auß antrib unumbgänglicher noth die tachung reparieren lasse, damit nit etwa zuesambt dem tachstuhl auch geschür und torgelbeth zuemahlen verfaule.

Den besten herrschafftsman und gewesten landwaybl, schuester Hasleren[6], hat Gott auch abfordern wollen. Es melden sich vier andere underthanen umb den dinst ahn. Ich finde aber auß erhöblichesten ursachen die stölle nit anderster, alß gegen etwa 2, 3, 4 in 500 fl.[7] caution zue vergeben. Welliches, oder da ewr hochfürstlich durchlaucht zwischen heit und dem 5. Julii kein anderes gnädigst befehlen, so fahre ich fort und werde den newen landwaybl mit so einem ayd und instruction belegen, worvon hoffendtlich bessere ordnung, als die bisherige gewest sein mechte, zu hoffen stehen solle. Die malignität[8] deß hizigen füebers raffet vill leuthe hinweg, die noth und theurungen der lieben früchten waxen immer fort und machen vill s. v.[9] diebe, deren daß schellenbergische hochgericht nit den geringsten mehr tragen würde, von darumben absque mora[10] die anstallt / zue einem newen mache. Secundum tenorem urbarii[11] wirdt ewr hochfürstlich durchlaucht der zoll auf Rofenberg[12] pro 60 fl. ahngesezet, da er doch nit 40 ertragtet, ia, wan denn Schweizeren die freye saltzfuhr fürbaß[13] gespert werden sollte, nit 25 fl. tragen wirdet. Wie die schuldige extraditio actorum[14] vor sich gehe, geruehen ewr hochfürstlich durchlaucht sich auß gegenwertigen original anschluss underthänigst referieren[15] zue lassen. Diser schwirmgaist hat in ewr hochfürstlich durchlaucht […] difficence[16], und er prætendiert plenissimam fidem[17] mit deme, was er ratione[18] Schellenberg[19] in seinen handen hat, gethrewlich umbzugehen. Der underthänigste vorschlag, das archiv gemeinsamlich zue schließen, derffte am nahesten zuetreffen! Der embsische[20] landtschreyber advertiert[21] mich bey seiner retour von Kempten[22], hette dorthen vill erfahren, so in ewr hochfürstlich durchlaucht interesse hineinrinnete, der feder aber nit verthawen derffte. Zue dessen mündtlicher anhör werde diße feurtäg einen rith dahin thuen, und sodan gehorsamst referieren, nit zweiflendte, bey ewr hochfürstlich durchlaucht die kauffs- und einige zahlungs-acta wohl eingeloffen sein werden. In diser hoffnung dan dieselbe der göttlichen protection[23] threw-euferig-gehorsamst erlasse.

Ewr hochfürstlich durchlaucht.

Mauren[24] in der herrschafft Schellenberg, den 5. Junii 1699.

Underthänigst, threw, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[25], manu propria[26]./

[Rubrum]

Præsentatum[27], den 15. Junii 1699. Schellenberger amtbman. Notificiret[28], er lasse die weinpress und geschirr mit reparirung deß verdorbenen dachs in sicherheit setzen. Der landweibl Hasler seye gestorben, die krankheiten und diebstähle grassiren sehr, item ratione[29]deß zolls auf Rofenberg, deß vaduzischen archivs, etc.

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[1]Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.
[2]Begutachtung (Besuch).
[3] Torkel = Kelterhaus (Weinpresse).
[4]seit der Vergangenheit (längerer Zeit her).
[5]pro principio in ordine“: für den Anfang in einer Ordnung.
[6]Hasler. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Personennamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 2008, S. 335–337.
[7]fl. = Gulden (Florin).
[8]Bösartigkeit.
[9]salva venia = mit Erlaubnis. Vgl. Karl E. Demandt, Laterculus Notarum. Lateinisch-deutsche Interpretationshilfe für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Archivalien (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 7, 1998), S. 259.
[10]absque mora“: ohne Aufschub.
[11]Secundum tenorem urbarii“: Zweitens den Verlauf des Urbars.
[12]Rofaberg, Eschen. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 1999, S. 266.
[13]hinfort.
[14]Herausgabe der Akten (Dokumente).
[15]berichten.
[16]Misstrauen.
[17]prætendiert plenissimam fidem“: nimmt zum Vorwand die vollste Treue.
[18]wegen.
[19]Schellenberg (FL).
[20]hohenemsische.
[21]berät.
[22]Fürstabtei Kempten in Kempten (D):
[23]Obhut.
[24]Mauren (FL):
[25]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.
[26]eigenhändig.
[27]Vorgelegt.
[28]Meldet.
[29]auch wegen.