Johann Franz Paur [Bauer] erkundigt sich beim Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein, wie er sich betreffend die von ihm verweigerte landesherrliche Hilfeleistung bei den Hochwasserschäden in Bendern verhalten, und wie er mit den Graubünder Kreditgeber verfahren soll.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc.[1] 

Ewr hochfürstlich durchlaucht lassen sich underthänigst referieren[2], waß gestallten der hoche Rhein[3] eine halb stund ober Bendern[4] eingebrochen, und die underthanen die ihnen sonsten alljährlichen abgevollgte 40 stück wuhrholz haben solicitiren[5] laßen. Gleichwie aber die verabvollgung eine in dem kauffs-recess[6] unbedungene unerträgliche servitus[7] ist, und in ein ewiges capital geschlagener gegen 3.000 fl.[8] oder mehr außmachet, als habe mich in disem frangenti[9] gegen sye aufgefüehret und verandtworthet, wie durch angeschlossenen extractum prothocolli[10] mit mehreren gehorsamst vorstelle, waß weithers in causa zue thuen habe, gnädigester befelch erwarthendte.

Einem new aufgenommenen landwaybl pflegte eine jederweylige herrschafft loco salarii semel pro semper[11] einen gemeinen mantel zue verschaffen, nit zweiflendte, ewr hochfürstlich durchlaucht ein gleiches belieben, und wie die colour und außstaffierung sein solle, gnädigst / befehlen werden.

Einige Bündtnere[12], welliche auf denn Schellenbergeren vill tausendt gulden privatcapitalien stehen haben, lassen sich vernemmen, wegen schlechten zuehalltens der debitorn[13] sich von ihrem credito außlößen zue lassen. Und ist diese, durchleuchtigster, gnädigster herr, die erwünschte coniunction[14], welliche die underthanen thayls von frembden iudication eliberiert[15], thayls aber und hauptsächlichen in casum[16] der anlösung und mit pünctlichen beyhalltnuß ewr hochfürstlich durchlaucht die hypothecos in die hand gibet, auß sollichen lehenfählige stückh und auß denn zeithlichen einen ewigen zünß zue machen.

In disem moment werde fern persuadirt[17], das einige tausendt reichstaler kaum besser anzuelegen weren. Befinden ewr hochfürstlich durchlaucht ein gleiches, so werde under der hand morose[18] zünß-bezahlungen verhängen. Ab disen vergehen denn Bündtnern lusst und liebe zue denen capitalien und / glaube, dasselbe gegen 90, 92 biß höchstens 94 fl. gehrn und ohne anstand 100 fl. abtretten werden. Ich annectiere[19] dermahlen bloß diße eventual modification[20], das sollichen fahlß alleinig die besste capitalien müessten außgeklaubt werden. Woryber ewr hochfürstlich durchlaucht sich nägstens gnädigst zue resolvieren[21] gebetten werden. Zue hochfürstlichen gnaden anbey mich underthänigst empfehlendte.

Ewr hochfürstlich durchlaucht.

Feldkhürch[22], den 6. Julii 1699.

Underthanigst, threw, gehorsamster

Johann Franz Paur[23], manu propria[24]. /

 

[Beilage]

Extract prothocolls.

Ferdinand Nescher[25] von Gamprin[26] und Jos Thöni[27] von Eschen[28], beede des gerichts, zaigen an, waß maßen der Rhein oberhalb Benderen in das wuhr eingebrochen, großen schaden gethan und noch größeres unhayl zue befahren were, so das sie hinder sollichen zue verwahrung sand und landts ein gegenschlacht sezen müeßen, gehorsambst bettende, ihnen dem alten herkhommen nach mit der notturfft holzes aus der Pürsst[29] und dermahlen etwa mit a stumppen verhilfflich zue sein. Ich sezete entgegen, were mir laid, das ich dem ybel nit steuren könte, noch holz darzue zue geben befelch oder erlaubnuß hete. Illi[30], ich wurde ihnen ia die gebühr nit versagen, mann hete ihnen solliche all jährlichen abfolgen lassen. Ego[31], es were mir selbsten bekhandt, 1. hete einstens in persohn die anweiß dahin gegeben, nachdeme ich aber in vorigen meinen diensten nit gesehen, oder erfahren, ob die abfolgung ein precarium[32] oder eine schuldigkheit und einen der Pürst anhangende servitus und dienstbarkheit were, man zumahlen gnädigster herrschafft verkheufflich nichts anbedungen hete, kundte ich auch mit nichten willfahren, sye mochten in ihrer sogenanten landts-laden[33] sehen,  quo titulo[34] mann dißes holz abzuefordern hete, würde nit entgegen sein, das billiche zue observieren[35], und aber weilen eine gnädigste herrschafft einigen nuzen davon nit empfindete, ließe ich mir nit zumuethen, / ohne annderwerthigen gegengenuß gnädigster herrschafft jährlichen pro 30, 40 oder mehrer gulden holz zu verschenckhen. Die kayserliche administrations-commission hete zwar auf instanz der landtschafft und dero vor jahren 9 die herrschafft gefüehrte clagden befohlen, man solte jener jährlichen widerumben 40 stumpen abfolgen lassen, were aber nit angefüehrt worden, an ex debito[36] an precarium sit[37], würden sye jenes erweißlichen darthuen, hete ich keinen anstand zue gratificieren[38], ich müste gleichwolen ratione[39] sothanen großen eventual oneris[40] den regress[41] an die commission nemmen, und sye die eviction præstiren[42] lassen. Nescher recenset[43], wie die alte sageten und er daher wüsste, were vor diser zeit die Pürst der underthanen aigen geweßen, mann hete aber das holz so verderblich und verschwenderisch menagiert, das solliche einer gnedigsten herrschafft überlaßen, und dennen unnderthonen die ernente notturfft daraus vorbehalten worden, allermaßen man zueweilen für ein pfundt flax die schönste tannen hete bekhommen khönnen. Dißes widerlegte ich mitvermelden, die narration[44] were so zierlich, ob solliche aus dem Evangelio herfliessete, ich wüste nichts von dergleichen jemahlen gehört zue haben, were auch unglaublich, das eine herrschafft ihrer underthanen holzwarth worden seye, sonder das urbarium weißete das schon von mehr alß 300 / jahren die Pürst einer herrschafft aigenthumb gewest und noch seye. Nescher pergit[45], in ihren alten briefen heten sye nichts, und vor zeiten eine herrschafft die novalia[46] genossen, also were es, das holz hergeben, wolte er sagen, nit oneros, ich melde hingegen, wann meiner gnädigsten herrschafft ein æqualentes utile loco[47] des holzes zuewachßete, were von sachen anderster zue sprechen, bis dahin, oder auf einlangende gnädigste befelch aber gethrawete ich nit ein, will geschweigen mehrere stückh abfolgen zue lassen. Illi instabant[48], ich möchte doch ia sagen. Ego, wan Nescher (dann mit der landtschafft möchte ich derentwegen nichts zue thuen haben) mit handtgelübdt cavieren[49] wolte, das abfolgende in quanto et quali[50] zu ersezen und darfür zue respondieren[51] sich aigens verbinden würde, möchten etwa ainige stückh zugewarthen sein, warüber er mit handtsthrew dißes versprochen und hingegen ich die 12 stumpen sine præiudicio[52] abzugeben verordnet habe. /

 

[Rubrum]

Præsentatum[53], den 18. Julii 1699. Schellenbergischer verwalter.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, deß Heyligen Römischen Reichß[54] fürsten und regierern deß haußes Lichtenstein von Nickolspurg[55], zu Schlesien[56] hertzogen zue Troppaw[57] und Jägerndorff[58], rittern deß Guldenen Flüsses[59], der römisch kayserlichen mayestät[60], etc., etc., würkhlichen geheimen rath und cammerern. Ihro durchlaucht, meinem gnädigsten herrn.

Wien[61] per Feldsperg[62].[a]

b--Herr von Heinisch[63] umb sein sentiment[64].--[b]  

______________

[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.
[2]berichten.
[3]Rhein, Fluss.
[4]Bendern (FL).
[5]erbitten.
[6]Kaufvertrag.
[7]Dienstbarkeit.
[8]fl. = Gulden (Florin).
[9]verletzend; einen Rückzieher machend.
[10]Protokollauszug.
[11]loco salarii semel pro semper“: anstelle eines Gehalts ein- für allemal. 
[12]Graubündner.
[13]Schuldner.
[14]Verbindung.
[15]iudication eliberiert“: Gerichtsbarkeit befreit. 
[16]im Fall.
[17]überredet.
[18]launische.
[19]füge hinzu.
[20]mögliche Anpassung.
[21]entschließen.
[22]Feldkirch (A).
[23]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.
[24]eigenhändig.
[25]Ferdinand Näscher, erw. als Gerichtsmann 1694; von Gamprin im 17. Jahrhundert; als der ältere Gerichtsmann 1706 und mögl. als Landeshauptmann 1718. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Personennamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 4, Vaduz 2008, S. 110.
[26]Gamprin (FL).
[27]Jodokus (Joß) Thöni, erw. um 1700 als alter Lehenträger und als Gerichtsmann. Vgl. LNB, Personennamen, Bd. 4, S. 363.
[28]Eschen (FL).
[29]Bürst (†), Eschen. Vgl Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer – Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 1999, S. 318.
[30]Jene.
[31]Ich.
[32]Gebrauchsüberlassung.
[33]Bestimmte Lande im Archiv, in der sich Verträge das Land betreffend befinden.
[34]mit welchem Recht.
[35]beobachten.
[36]aus Schuldigkeit.
[37]es ist.
[38]verschenken.
[39]wegen.
[40]möglichen Belastungen.
[41]Rückzahlung.
[42]eviction præstiren“: gerichtliche Wiedererlangung leisten. 
[43]erzählt.
[44]Erzählung.
[45]fährt fort.
[46]Brachland.
[47]æqualentes utile loco“: Gleichwertiges zu nützen anstelle.
[48]Jene setzen nach.
[49]verhüten.
[50]Menge und Qualität.
[51]verantworten.
[52]sine præiudicio“: ohne Gerichtsbeschluss.
[53]Vorgelegt.
[54] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.
[55]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).
[56]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.
[57]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).
[58] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).
[59] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.
[60]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.
[61]Wien (A).
[62] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).
[63] Adam Ignaz Edler von Heünisch war als Reichshofratsagent 1698 im Hofkalender erwähnt. Vgl. Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Sig. 544.720-A.Alt-1698.
[64]Meinung.

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.
[b]--bNachtrag mit Bleistift.