Johann Franz Paur [Bauer] beschreibt dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein die Schwierigkeit von Bürgern aus Feldkirch, die Güter in der Herrschaft Schellenberg besitzen, Steuern einzutreiben.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc.[1]

Gleich ewr hochfürstlich durchlaucht underthanen der herrschaft Schellenberg[2] seindt auch die kayserlich oberösterreichisch herrschaftlich feldtkhürchischen beede gerichter Ranckhweyl[3] und Sultz[4] mit der statt Feldtkhürch[5] wegen der von ihren inn- und ausbürgern[6] prætendierendten collectation[7] in unverdenckhlichem langen streyt verwickhlet und haben beeder dißer gerichteren ahnverwandte underthanen in ihrer so gerechtesten sache, das nemlich die güether in loco rei sitæ[8], nit aber domicilii possidentis[9] versteyert werden sollten, zue keinem ende kommen khönnen, sondern seindt necessiert[10] worden, bringen dißes ad fontem[11] abzueordnen und die römisch kayserliche mayestät[12] pro decernenda commissione[13] allerunderthänigest zue erbeten, der sehnlichen zueversicht gelebendte, weylen ewr hochfürstlich durchlaucht schellenbergische underthanen respectu[14] gedachte statt Feldtkhürch in pari calamitate[15] biß daher gestanden, und biß zue weitherer ererterung noch ferners stehen müeßen, dieselbe gnädigst geruchen würden, dero so trifftige angelegenheit seines allerhöchsten ohrts mit höchst gülltiger vermögenheit bestens und zwar dahin zue recommendieren[16], daß allerhöchst gedachte, ihro kayserliche mayestät, etc., etc., eine landtsfürstliche commission, et quidem remota appellatione revisione, vel arbitrio viri[17], etc., erkhennen, und bey / alsdan ohnfählbarlich für sye in favorem[18] außfallende commissions urthl, daß præiudicium[19] auch für Schellenberg dienen mechte. Und weylen durch verhoffendte gnädigeste willfahr die guete betrangte leuth hierdruch in ihrem underthänigsten verthrawen nit allein gesteiffet, sondern zuemahlen die bißherige nachbarschafft mehrer cultivieret[20], mithin sye, Sulzener und Ranckhweyler, ewr hochfürstlich durchlaucht underthanen mit frembder landtsgerichtlicher iudicatur[21] auf erspürenden beytrag künfftigshin zue verschonen mehrer obligiert[22] würden. Allß bette ganz underthänigst ewr hochfürstlich belieben gnädigst dero assistenz, so vill sich wirdt thuen laßen, möglichest beyzuelegen, in underthänigstem und gehorsamsten respect stets verpleibendte.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch, den 4. Februarii 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[23], manu propria[24]. /

[Rubrum]

Præsentatum[25], den 28. Julii 1700. Schellenbergischer verwalter.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, deß Heyligen Römischen Reichs[26] fürsten und regiereren deß hauses Lichtenstein von Nickholspurg[27], in Schlesien[28] hertzogen zue Troppaw[29] und Jägerndorff[30], rittern deß Guldenen Flüsses[31], der römisch kayserlichen mayestät würkhlichen geheimen rath und cammerern etc.

Ihro durchlaucht, meinem gnädigsten herrn.

Wien[32].[a]

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Schellenberg (FL).

[3]Rankweil, Gem. in Vorarlberg (A).

[4]Sulz, Gem. in Vorarlberg (A).

[5]Feldkirch (A).

[6]Ausbürger besaßen das Stadtrecht, ohne in einer Stadt zu wohnen.

[7]verlangten Steuer.

[8]in loco rei sitæ“: am Ort wo sie sich befinden. 

[9]domicilii possidentis“: in Besitz befindliche Häuser. 

[10]genötigt.

[11]ursprünglich.

[12]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[13]pro decernenda commissione“: um eine kommissionelle Entscheidung.

[14]bezüglich.

[15]in pari calamitate“: in gleichem Schaden.

[16]erbeten (empfehlen).

[17]et quidem remota appellatione revisione, vel arbitrio viri“: und wenigstens die in der Ferne erbetene Untersuchung oder einen Schiedsspruch der [kaiserlichen] Macht.

[18]günstig.

[19]vorausgegangene Urteil.

[20]gepflegt.

[21]Gerichtsbarkeit.

[22]verpflichtet.

[23]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[24]eigenhändig.

[25]Vorgelegt.

[26] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[27]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[28]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[29]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[30] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[31] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[32]Wien (A).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.