Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über verschieden Gerüchte den Verkauf der Grafschaft Vaduz betreffend.


Durchleuchtigister fürst.

Gnädigister fürst und herr, herr, etc.[1]

Heut vernemme ex ore[2] desjenigen, der unlängsten von Wien[3] abgeraist und bey ewer hochfürstlich durchlaucht einestens durch weyland herren pater Hortitsch seelig gemachten access[4] eine gnedigiste audienz gehabt samb der vaduzische khauff, wie er von (ut dicit[5]) des herren grafens von Zeyl[6], excellenz, gehört hete, schlüpferig und in weitem feld stünde, bevorab es nit necessitatis[7] were, und so lang nichts daraus werden khöndte, biß dem hauß ein anderes surrogatum[8] an die hanndt gegeben worden, etc. Nun were ihme eine herrschafft bekhandt, welliche fayl, auch erträglicher als Schellenberg[9], und gegen 110 bis 115.000 fl.[10] zue emportieren[11] were.

Die collectation,[12] so zwar nichts zue bedeuten hete, gehörete der ritterschafft, und wolte er nit alleinig den anschlag[13] communicieren[14], sonnder selbsten der unnderhändler sein. Alleinig müesste die herren grafen von Harrach[15] und Zeyl[16] hiervon nichts erfahren, und sonderbahr der dr. Roth[17] khein geschmackh darvon bekhommen, etc. Obe und was ahn einem oder dem anderen seye, waiß ich khaum zue begreiffen, es werden aber ewr hochfürstlich durchlaucht, etc., auß dennen / vaduzischen khauffs-umbständen selbsten höchsterleucht ermessen, ob eine reflexion[18] darauff zu machen seye oder nit. Mich bedünckht dißer ganze discours rüehe nach ainem aigenen interesse, und dependiere[19] die vaduzische alienations-affair[20] so wenig von einem privato, als solliche dessen zue Veldtkhirch[21] habendes haußes antragender verkhauff facilitieren[22] khönne.

Et ut sit[23], und ob ich zwar weder die herrschafft, noch den possessorem[24] mit nahmen penetrieren[25] khönnte, so habe es doch zue berichten für einen thayl meiner underthenigst threw gehorsambsten schuldigkheit zue sein ermessen. Mit gehorsambster meiner empfehlung verbleibende.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch, den 23. April anno[26] 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster.

Johann Franz Paur[27], manu propria[28]. /

Post Scriptum

Auch durchleuchtigester, gnädigster fürst und herr, herr, etc.

Gleich beym beschluss erhallte eine nähere explication[29], und zwar samb deß herren […] landtgrafen von Fürstenberg[30], excellenz, das mentionierte[31] gueth desiderierten[32], es were aber pro surrogato vaduzensi[33] ewr hochfürstlich durchlaucht ahnständiger. Von disem desiderio hetten Harrach und Zeyl nachricht. Der freindt aber, umb etwa die fürstenbergische ungnad zue evitieren[34], beeder dißer ohrten sich nit gehrn wollte benambsen lassen, gleichwohlen per tertium[35] in allem getreulich zue hellffen sich offerieret. Aus mangl der mehreren kauffs, oder verkauffs nachricht ist dißes extra meum captum[36].

Wan man aber ia ein surrogatum haben muesste, weren die nahe angelegene herrschafften Neuburg[37] und Bludentz[38] von denen herren grafen Clari[39] und Berger faciliorissima[40] auß- und anzuelesen.

[...] in litteris.[41]

 [Rubrum]

Præstentatum[42], den 6. Maii 1700.

Schellenbergischer verwalter in puncto deß vadutzischen kauffs und einer gewissen fayl sein sollenden herrschafft.

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heyligen Römischen Reichs[43] fürsten und regiereren deß hauß Liechtenstein von Nickholspurg[44], in Schleßien[45] herzogen zue Troppaw[46] und Jägerndorff[47], ritteren des Guldenen Flüss[48], der römisch kayserlichen mayestät[49] etc. etc. würkhlichen gehaimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht.

Wien per[50] Feldtsperg[51][a]

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]aus dem Mund.

[3]Wien (A).

[4]Zugang.

[5]wie erwähnt.

[6]Waldburg-Zeil, schwäbisches Adelsgeschlecht.

[7]notwendig.

[8]Ersatzmittel [reichsunmittelbare Herrschaft].

[9]Schellenberg (FL).

[10]fl. = gulden (Florin).

[11]zu beschaffen; mitzunehmen.

[12]Abgaben.

[13]Wert; Aufstellung der Einkünfte.

[14]mitteilen.

[15]Harrach, österreichisch-böhmisches Adelsgeschlecht.

[16]Die Familien Harrach und Waldburg-Zeil waren mit den Grafen von Hohenems, den Besitzern der Grafschaft Vaduz, verwandt.

[17]Dr. Johann Conrad Roth war oberösterreichischer Regierungsrat und mit den Kaufverhandlungen von Schellenberg und Vaduz betraut. Vgl. Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat, Judicialia, Denegata Recentiora 263/2, fol. 93v.

[18]Überlegung.

[19]abhängen.

[20]Verkaufsangelegenheit.

[21]Feldkirch (A).

[22]erleichtern.

[23]Und wie es sei.

[24]Besitzer.

[25]durchdringen.

[26]im Jahr.

[27]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[28]eigenhändig.

[29]Erklärung.

[30]Mögl. Froben Ferdinand Dominik Christoph Graf von Fürstenberg-Meßkirch (1664–1741) war Direktor des Schwäbischen Reichgrafenkollegiums. Vgl. Albrecht P. Luttenberger, Das Haus Fürstenberg vom frühen Mittelalter bis ins 19.Jahrhundert. In: Erwein H. Eltz - Arno Strohmeyer (Hrsg.), Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mitteleuropa, Korneuburg 1994 (= Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge 342), S. 1–38; hier: S. 28.

[31]erwähnte.

[32]wünschten.

[33]als Ersatz für Vaduz.

[34]vermeiden.

[35]auf der dritten Seite.

[36]außerhalb meines Fangs [Einflussbereichs].

[37]Neuburg bei Koblach in Vorarlberg (A).

[38]Bludenz (A).

[39][39] Clary und Aldringen war eine aus Oberitalien (Riva) stammende Adelsfamilie, die 1659 in den Freiherren erhoben und 1666 zu Grafen von „Clary und Aldringen“ ernannt worden waren. Vgl. Hermann Hallwich, Clary, Hieronymus von. In: Allgemeine Deutsche Biographie 4 (1876), S. 275–276.

[40]sehr leicht.

[41]in den Beilagen.

[42]Vorgelegt.

[43] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[44]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[45]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[46]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[47] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[48] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[49]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[50]über.

[51] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.