Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein, dass das 13tägige Regenwetter dem Gras großen Schaden zugefügt hat. Im Postskriptum erwähnt er einige Pfandherrschaften, die der Fürst möglicherweise anstelle der Grafschaft Vaduz erwerben könnte.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1] 

Nit zweyflendte, mein under dem 24. Maii letsthin abgeschickhte ambtsrechnung sambt dem newen schellenbergischen urbar wohl eingangen sein werden, berichte ich alleinig gehorsammest, daß, Gott zue danckhen, daß 13 täg nach einandere angehalltene regenwetter der ohrten gestern vormitag sich zwar geendiget, der rebstokh aber durch solliches nit allein umb so vill zeith zuerückh gestellt worden, sondern daß von dem ungezifer, denen engerichen[2], noch überig gelassene graß im feld layder mehresten thaylß zue schanden gegangen und verfault seye, welliches den armen mit schulden beladenen landman weith hinder sich werffen mag. Der allerhöchste Gott segne alleß, und seyen ewr hochfürstlich durchlaucht dessen haylwerthester tuition[3] gethrew zu euferigst erlaßen, ich aber in allertiefester submission[4] verharret zu sein.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Feldtkhirch[5], den 28. Junii 1700.

Underthänigster, gethrew, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[6], manu propria[7]. /

Post scriptum.

Auch durchlauchtigster, gnädigester fürst und herr, herr, etc.

Undter der hand werde von Ynsprugg[8] informieret, samb herren grafen Joßeph Fugger[9], etc., die österreichische pfandtsherrschafften Kirchberg[10], Weissenhorn[11], Dietenheim[12], Wuelenstetten[13] und Brandenburg[14] gehrn ausgelest würden; man prætendiert von einem künfftigen pfandtsinnhaber 250.000 fl., dermahliger pfandtschilling ist alleinig 100.000 fl., die herrschafften seindt mir alle bekandt, und zwar von großer erträgligkeit, vösstiglich glaubendte, daß solliche bey gueten jahren yber 20 lbd.[15] mehr tausendt ertrage. Alleinig gehöret die collectation[16] nacher der österreichischen cassa zue Ehnigen[17]. Die hoche weeßen zue Ynsprugg seindt von gnädigen herrn grafen dissgoutiert[18], und solle derowegen der herr graf intentioniert[19] mittels eines überschusses die schon anno[20] 1664 exspirierte[21] pfandtschafft zue prorogieren[22], welliches allenfahls verhindert werden könte. Andere spargieren[23], es solle herr grafen Styrum[24], etc., seine reichsherrschafft Illeraicheimb[25] auch fayl werden. Diße ist locutabl[26] zu dem Schwäbischen Crayß[27], etc. /

[Rubrum]

Præstentatum[28], den 12. Julii 1700.

Schellenbergischer verwalter das 13tägige regenwetter habe am rebstok und grasereyen schaden gethan.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreaß, deß Heyligen Römischen Reichs[29] fürsten und regiereren deß hauses Lichtenstein zue Nickholspurg[30], etc. In Schlesien[31] hertzogen zue Troppaw[32] und Jägerndorff[33], ritteren deß Guldenen Flüßes[34], der römisch kayserlichen mayestät[35] etc. etc. würkhlichen geheimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem gnädigsten herren.

Feldtsperg[36] per[37] Wien[38][a]

 


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[1]Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Engerlinge (Larven des Maikäfers).

[3]Schutz.

[4]Ergebenheit.

[5]Feldkirch (A).

[6]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72. 

[7]eigenhändig.

[8]Innsbruck (A).

[9]Mögl. Maximilian Joseph Fugger, Graf von Kirchberg-Weissenhorn (1677–1751). Vorläufig kein Nachweis.

[10]Kirchberg an der Iller, Gem. in Baden-Württemberg (D).

[11]Weißenhorn, Stadt in Bayern (D).

[12]Dietenheim, Stadt in Baden-Württemberg (D).

[13]Wullenstetten, Ortsteil von Senden an der Iller (D).

[14] Kloster Brandenburg, früher Schlossgut Brandenburg bei Dietenheim-Regglisweiler (D).

[15]Pfund.

[16]Besteuerung.

[17]Ehningen, Gem. in Baden-Württemberg (D).

[18]Mögl. ist „degoutiert: verabscheut“ gemeint.

[19]beabsichtigen.

[20]im Jahr.

[21]erloschene.

[22]verlängern.

[23]verstreuen [das Gerücht].

[24] Grafen von Limburg-Styrum.

[25] Herrschaft Illereichen.

[26]örtlich zugehörig.

[27]Der Schwäbische Kreis war einer von 10 Reichskreisen des Heiligen Römischen Reichs, zu dem auch die Graf- und Herrschaften Vaduz und Schellenberg gehörten. Vgl. Winfried Dotzauer, die deutschen Reichskreise (1383–1806). Geschichte und Aktenedition, Stuttgart 1998.

[28]Vorgelegt.

[29] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[30]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[31]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[32]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[33] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[34] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[35]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[36] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

[37]über.

[38]Wien (A).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.