Johann Jakob Motz, fürst-kemptischer Hofkammerdirektor, schreibt an Johann Franz Paur [Bauer] betreffend die Schulden, die die Untertanen der Herrschaft Schellenberg und Grafschaft Vaduz bei Graubündner Kreditgebern haben.


Hochedler, gestrenger, hochgelehrter, hochverehrter herr.[1] 

Infolgedessen worten würdet herr oberambtmann von Kolarn die particulier-quittungen[2], was weiters und welher gestalten der schellenbergische kauffschilling völlig erlegt worden, der aufgetragen vollmacht gemes einhändigen, wobej nit zu verhalten und meinem hochgeehrter herrn nit unbewust sein würdet, wie das die vaduzischen und schellenbergischen underthanen in administrierung des 1688 [schnitz?] vergleichs, wie auch andern ursachen, von denen püntnerischen capitalien über die zehnttausent gulden übernommen, also zwar das von solchen capitalien annoch sain von des Sprecherischen[3] per 5464 fl.[4] und das Salische[5] per 3000 fl. und denn vaduzischen kauffschilling, wie auch das statt Veldtkürchische capital zu bezahlen seye. Wie soliches aber ahn die münz hoffmaister mit umbständen und beygefüegten ursachen allerunderthänigst referiert[6] worden. Zumahlen sonnenclar und ahn dem tag wäre, das von den 100.000 fl., welche über die zu Wien[7] zurükhgeblibenen 15.000 fl. herauf- / komen. Die in [...] specificierte einkommene ville schulden alle zu bezahlen die pure impossibilität[8] ahn sich selbsten gewesen, und nothwendigen weis auf den vaduzischen kauffschilling verstehen bleiben miessen. Zudeme mann auch von seiten allseitigen fürstlichen hoffcammer umb mehrer sicherheit willen nit anderster thuen könden, denn iro betrettung künfftigen etwa erfordernden commissionsspesen etwelche hundert gulden (woriber seiner zeit accurate[9] rechnungen erfolgen sollen) in handen zu behalten. Bevorab von denn 100.000 fl. kaum die helffte, von iedem gulden ein kreuzer auf die aufgewente commissionkosten eingezogen worden, welcher dann für nöthig erachtet, meinen fürstlichen herren[10] pro informatione nachrichtlich zu hinderbringen anbej nebst meiner empfehlung stets verbleibe.

Meinem hochgeehrten herren.

Stifft[11], den 23. Novembris 1699.

Dinstergebern.

Motzen[12], manu propria[13]. /

[Adresse]

A monsieur, monsieur Paur, conseiller[14] et bailiffe[15] de son altesse le prince Adam de Lichtenstein[16] 

a Veldtkirch.[a] 

 


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[1]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[2]Einzelquittungen.

[3] Sprecher von Bernegg ist der Name eines alten schweizerischen Adelsgeschlechts. Vgl. Ernst Heinrich Kneschke, Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, Bd. 8, Leipzig 1868, S. 573–575.

[4]fl- = Gulden (Florin).

[5]Salis ist Name eines alten schweizerischen Adelsgeschlechts. Vgl. Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. Hrsg. mit Empfehlung der Allgemeinen Forschenden Gesellschaft der Schweiz unter Leitung von Heinrich Türler, Victor Attinger, Marcel Godet, Bd. VI., Saint Gelin-Tingry, Neuenburg 1931, S. 17–18.

[6]berichtet.

[7]Wien (A).

[8]Unmöglichkeit.

[9]genaue.

[10] Rupert von Bodman (1646–1728) war von 1678 bis 1728 Fürstabt von Kempten und ab 1681 kaiserlicher Verwalter von Vaduz und Schellenberg. Vgl. Otto Seger, Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, in seinem Wirken für unser Land. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1978; Paul Vogt, Der 18. Januar 1699 – Wendepunkt in unserer Geschichte? In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1999.

[11]Fürstabtei Kempten in Kempten (D).

[12] Dr. jur. Johann Jakob Motz (1654–1706) war Hofkammerdirektor in Kempten und während der kaiserlichen Administration der Grafschaft Vaduz  und der Herrschaft Schellenberg abgeordneter Kommissar. Vgl. Karl Heinz Burmeister, Motz Johann Jakob, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 2, S. 627. 

[13]eigenhändig.

[14]Rat.

[15]bailiff (engl.) bzw. bailli (franz.) = Vogt.

[16] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

 


[a] Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.