Kaiserliche Entschliessung betr. Errichtung des Appellationsgerichts Innsbruck als oberste Gerichtsinstanz für das Fürstentum Liechtenstein


Hofdecret vom 13ten Februar 1818 an das Appellations-Gericht in Tyrol und Vorarlberg,
in Folge höchster Entschliessung
, über Vortrag der geheimen Hof- und Staaskanzley[1]

vom 9. December 1817

Die in dem Artikel XII der Deutschen BundesActe enthaltene Bestimmung: dass die Bewohner deutscher Bundesstaaten die Wohlthat einer dritten Instanz auch da, wo bisher noch keine bestanden hat, von nun an geniessen sollen und dass jene Deutschen Bundesglieder, deren Besitzungen nicht eine Volkszahl von 300‘000 Seelen erreichen, sich mit den ihnen verwandten Häusern oder mit anderen Bundesgliedern, mit welchen sie wenigstens eine solche Volkszahl ausmachen, zur Bildung eines gemeinschaftlichen obersten Gerichtes zu vereinigen haben, hat den regierenden Herrn Fürsten von Liechtenstein veranlasset, den Antrag zu machen, dass das k.k. Appellations-Gericht in Tyrol und Vorarlberg zu Innsbruck als dritte Instanz für das souveräne Fürstenthum Vadutz, wo das Oesterreichische bürgerliche Gesetzbuch, das Gesetzbuch über schwere Verbrechen und schwere Polizey-Uebertretungen und die Oestereichische Gerichts- und Grundbuchs-Ordnung bereits eingeführt sind, konstituirt werde.

Se. k.k. Majestät haben diesen Antrag unter folgenden, von dem Herrn Fürsten von Liechtenstein bereits angenommenen Modalitäten und Bedingungen zu genehmigen geruhet:

1) Das Appellations-Gericht habe in seinen Entschliessungen, die es als fürstlich Liechtensteinisches Revisions-Gericht erlässt, den Titel zu führen „k.k. Appellations-Gericht für Tyrol und Vorarlberg als aus allerhöchster Bewilligung constituirtes Revisions-Gericht des souverainen fürstlich Liechtensteinischen Fürstenthumes Vadutz“.

2) Das Appellations-Gericht habe sich nur auf die oberstrichterliche Eigenschaft zu beschränken, einer ämtlichen Aufsicht über die Justiz-Verwaltung in dem Fürstenthume sich jedoch nicht zu unterziehen.

3) Habe der Herr Fürst von Liechtenstein in Zivilfällen dem Appellations-Gerichte das unabhängige Erkentniss einzuräumen, ohne sich das Bestätigungsrecht vorzubehalten; in Criminal-Fällen jedoch, und zwar bey Todesstrafen, wo dem Souverän das Begnadigungsrecht zusteht, seyen die Acten durch ein geziemendes Schreiben des Appellations-Präsidenten dem Herrn Fürsten mit dem gefassten Todesurtheile und mit der Darstellung der allenfalls obwaltenden Begnadigungsgründe vorzulegen.

4) Alle Entschliessungen des Appellations-Gerichts können nur vermittelst Communication an die fürstlich Liechtensteinische Central-Kanzley zur weiteren Ausfertigung gelangen.

5) Haben Seine Majestät Sich die allerhöchst beliebige Zurücknahme dieser Bewilligung vorbehalten, so wie auch dem Herrn Fürsten von Liechtenstein eine anderweitige Verfügung unbenommen bleibt.

 

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[1] Österreichische Justizgesetzsammlung 181 Nr. 1418. Online-Version im ALEX (digitalisierte historische österreichische Rechts- und Gesetzestexte der ÖNB). - Die österreichische Fassung ist deutlich kürzer als die Fassung in den liechtensteinische Akten, weicht aber inhaltlich nicht grundlegend ab.