Hofdekret betr. Abänderung von § 78 ABGB


Hofdekret[1]
[betr. Abänderung von § 78 ABGB][2]

vom 22sten Dezember 1826

an sämmtliche Appelations-Gerichte, in Folge höchster Entschliessung vom 5. December 1826 über Ministerial-Vortrag der vereinten Hofkanzley

Damit in Ansehung der von den politischen Behörden zu ertheilenden Dispensen von Beybringung der Taufscheine bei Eheverbindungen, in Zukunft ein gleichförmiges Benehmen beobachtet werde, haben Seine Majestät folgende Bestimmungen zu genehmigen geruhet:

            Erstens. Die Nachsicht von Beybringung des Taufscheines, welche in Absicht auf eine einzugehende Ehe angesucht wird, darf in der Regel nur von der Landesstelle, und nur, wenn eine bestätigte nahe Todesgefahr keinen Verzug gestattet, vom Kreisamte, oder wenn die Nachsicht auch von diesem nicht mehr angesucht werden könnte, von der Ortsobrigkeit gegeben werden.

            Zweytens. Diese Nachsicht soll nur dann ertheilet werden, wenn es überhaupt, oder doch binnen der Zeit, über welche hinaus die Schliessung der Ehe nicht verschoben werden kann, unmöglich ist, den Taufschein beyzubringen.

            Drittens. Die Nachsicht von Beybringung des Taufscheines soll auch in diesen Fällen nur dann ertheilet werden, wenn sich die betreffende Behörde vom Daseyn dessen, was in Absicht auf eine gültige Ehe durch den Taufschein bewiesen werden soll, auf anderen Wegen die volle Ueberzeugung verschafft hat.

            Viertens. Durch welche Urkunde, Einvernehmung von Behörden und Zeugenerhebungen sich diese Ueberzeugung zu verschaffen ist, bleibt dem klugen Ermessen der Behörde, welche die Nachsicht des Taufscheines ertheilen soll, mit Rücksicht auf die jeden Fall begleitenden besonderen Umstände, überlassen.

            Fünftens. Bittschriften um Nachsicht von Beybringung des Taufscheines sind in Verhandlung zu nehmen, sie mögen bey der Landesstelle oder auch bey einer untergeordneten Behörde, einem Kreisamte, einer Ortsobrigkeit, eingereicht werden. In den letzteren Fällen pflegen diese Behörden sogleich die angemessenen Erhebungen, und wenn sie nicht laut § 1 selbst über die Nachsicht von Beybringung des Taufscheines zu erkennen berufen sind, legen sie den Gegenstand gutächtlich zur höheren Entscheidung vor.

            Sechstens. Wenn es den politischen Behörden nicht möglich ist, beym Abgange des nicht beybringlichen Taufscheines sich von dem Daseyn eines gesetzlichen Erfordernisses zur Ehe zu überzeugen, welcher Fall rücksichtlich der Volljährigkeit wohl eintreten kann; so sind die Parteyen an die Gerichtsbehörde zur Amtshandlung zu weisen.

            In so weit das an das Galizische Appellations-Gericht erlassene Hofdecret vom 22. Februar 1817, Zahl 1319, der Justiz-Gesetzsammlung mit dieser Vorschrift nicht übereinstimmt, wird dasselbe aufgehoben.

______________

[1] Textwiedergabe nach der österreichischen Justizgesetzsammlung JGS 1826, Nr. 2242, S. 59-60. Online-Version http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=jgs&datum=1017&size=30&page=167
[2] Dieser Erlass wurde im Amtlichen Sammelwerk (ASW), gestützt auf das Gesetz vom 5. Oktober 1967 über die Bereinigung der vor dem 1. Januar 1863 erlassenen Rechtsvorschriften, LGBl. 1967 Nr. 34, publiziert.