Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über weitere Probleme betreffend die gekaufte Brandstatt des kaiserlichen Hubhauses in Feldkirch.


Durchleuchtigister fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1]

Gesteren spaten abendts ist herr huebmaister[2] revertiert, und bey zeitiger vor tag beschechener underröd mit mir der meinung worden, dermahlen alleinig sich der vermeinten kauffs adressierung zue opponieren[3], und yberiges nach biß etwa dißer strepitus obmutescierete[4], zue verschieben.

Er, herr huebmaister, wirdt cunctando[5] bis Sontag suechen, zeith zue gewinnen und der statt keine andtworth geben, bis er auf dessen underthänigsten bericht eine resolution[6] erhallten wirdt haben, ist yber die maßen ungedultig. Indessen seind alle winckhel voll, heit werde die statt daß Huebhauß[7] anfallen, sogahr daß man allerdingß ein formal gespött und hohn darauß machet. Ich schäme mich von hertzen.

Der eufer, wellichen der vogteyverwalther Gugger pro interesse domini ex passione[8] darstellet, ist gegenwertig umb so weniger begreifflich, als nit geringe ursach er ahn disem casu[9] selbsten mitist / indeme er bey der laydigen brunnsst[10] seine ambtsangehörige ohne noth bey ihme zue pleiben obligiert[11], auch dessen sohn und dochtermännern hillff laissten, daß Huebhauß selbsten aber zue nachthayl ihro mayestät[12] etc. etc. ohne die mündeste rettung auf dem herd hat abbrennen lassen. Gegen mir wirdt nichts gemeldet. Es hat sich auch der außfüehrung deß urpaws und transport der ferndigen weinen halber, ausser waß in meinem vorigen gehorsamsten berichten begriffen, kein mensch moniert[13], were also das hon, schimpff und spott umb so größer, da ewr hochfürstlich durchlaucht absque denunciatione novi operis[14] wider besseres verhoffen so bloßer dingen zuerükhstehen sollten, zue geschweigen, wo man sich der reparations[15] und anderer cössten halber zue erhollen wüsste. Es wollten allerdings einige darfürhallten, samb deß herrn obersthoffcantzlers grafens von Buccelini[16] excellenz, disen motum sustiniereten[17] und der statt partes fulciereten[18]. Ob etwas an der sach, oder warumben in so einer gerecht und außgemachten causa wider ewr hochfürstlich durchlaucht er stehen sollte, ist mir unbekhandt, wohl aber der seegel nach unmasgeblichen / rath nach dem wind zue richten. Wan es nur umb das interesse zue thuen ist, so ist ja nit unmöglich, ein solliches selbsten zue præstiren[19]? Was heroben weithers passieret, referiere[20] ich montags gehorsamest und will nit zweyflen, ewr hochfürstlich durchlaucht sich allerhöchsten ohrts wirkhlich mit nachtruckh werden gravieret[21] haben. Zue dessen mehrerem behuef ewr hochfürstlich durchlaucht sich gegenwertigen briefschafften und insonderheit der original kauffsratification[22] gnädigst zue bedinen wissen werden. Ich aber erwarthe gehorsamest, waß und ob alerhochsten ohrts in ein oder anderem resolviert[23] worden seye, oder noch geschechen mechte. Mit underthänigster gehorsamster meiner empfehlung verpleibendte.

Ewr hochfürstlich durchlaucht.

Feldtkirch[24], den 26. Novembris 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[25], manu propria[26]. /

[Rubrum]

Præstentatum[27], den 7. Decembris 1700.

Schellenbergischer verwalter in puncto des Hubhauß kauff in Feltkirch.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreaß, deß Heyligen Römischen Reichs[28] fürsten und regiereren deß haußes Lichtenstein von Nickholspurg[29], in Schlesien[30] hertzogen zue Troppaw[31] und Jägerndorff[32], ritteren deß Guldenen Flüsses[33], der römisch kayserlichen mayestät etc. etc. würkhlichem gehaimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem gnädigisten herren.

Wien[34] per[35] Feldtsperg[36][a]

 


 

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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2] Anton Dominik Schmidl(in) (Schmied(el)) von Löwenfeld (Lebenfeld) war um 1700 Hubmeister in Feldkirch. Vgl. Susanne Lotteraner, Die Vögte und Hubmeister in den vier Herrschaften vor dem Arlberg in der Frühen Neuzeit, unged. Dipl., Wien 2011, S. 80; Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 35 Schle– Schwa, Leipzig 1731–1754, Sp. 434.

[3]widersetzen.

[4]strepitus obmutescierete“: Lärm verstummte. 

[5]zögernd.

[6]Beschluss.

[7]In der Schlossergasse 8 in Feldkirch befindet sich das Palais Liechtenstein. Vorher stand an dieser Stelle das kaiserliche oberösterreichische Hubhaus. Nachdem dieses bei einem Stadtbrand 1697 abbrannte, kaufte Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein diese Brandstätte zusammen mit der angrenzenden kleinen Anna’schen Brandstatt und ließ auf beiden Brandstätten ein Amtshaus errichten, welches von den liechtensteinischen Landvögten im 18. Jahrhundert verwendet wurde. 1774 wurde das Gebäude verkauft. Heute befindet sich darin das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek. Vgl. Arthur Hager, Das ehemals fürstlich liechtensteinische Haus in Feldkirch. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 63, Vaduz 1964, S. 141–153; hier: S. 143–144; Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Vorarlberg, Feldkirch, Profanbauten, Schlossergasse 8, Ehemaliges Palais Liechtenstein. Topographisches Denkmälerinventar herausgegeben vom Bundesdenkmalamt. bearb. in der Abteilung für Denkmalforschung, früher: Institut für österreichische Kunstforschung. Bearb. von Gert Ammann, Martin Bitschnau, Paul Rachbauer, Helmut Swozilek mit Beiträgen von Géza Hajós, Horst R. Huber, Herlinde Menardi, Elmar Vonbank. Verlag Anton Schroll & Co, Wien 1983, S. 207.

[8]pro interesse domini ex passione“: für die Interessen des Herrn aus Leidenschaft.

[9]Fall.

[10]Feuersbrunst in Feldkirch im Jahr 1697.

[11]verpflichtet.

[12]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[13]erinnert.

[14]absque denunciatione novi operis“: ohne neue Anzeige der Mühe.

[15]Wiederherstellung.

[16] Graf Julius Friedrich Buccelini (gest. 1712) war von 1693 bis 1705 Obersthofkanzler von Kaiser Leopold I.

und Besitzer der Herrschaften Karnabrunn, Seibersdorf, Reisenberg und Plankenstein in Niederösterreich. Vgl. Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Handschrift (Hs.) W 1048, fol. 28v; Finanz- und Hofkammerarchiv Hs. 216, fol. 25r, Hs. 355, fol. 54r, fol. 311v.

[17]motum sustiniereten“: Erregung aushalten.

[18]partes fulciereten“: Teile stützten.

[19]leisten.

[20]berichte.

[21]beschwert.

[22]Kaufsbestätigung.

[23]neschlossen.

[24]Feldkirch (A).

[25]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[26]eigenhändig.

[27]Vorgelegt.

[28] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[29]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[30]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[31]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[32] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[33] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[34]Wien (A).

[35]über.

[36] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.