Johann Franz Paur [Bauer] übersendet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein ein Schreiben der Stadt Feldkirch worin die Sorge ausgedrückt wird, dass der Fürst von Liechtenstein als neuer Eigentümer des abgebrannten Hubhauses keine Steuern zahlen und durch die Einlagerung von Weinen eine neue Konkurrenz erwachsen wird.


Durchleuchtigister fürst.

Gnädigister fürst und herr herr.[1]

Zue Veldtkhirch[2] haisset es aigentlich, superos si nequeo, achoronta movebo[3]. Allda gehet der allgemaine rueff, sie, statt, were intentioniert[4] auf den umberechtigungsfahl des retractus[5], dessen iustification[6] iedoch zuvor von Ynnsprugg[7] dise erwarthete, bey ewr hochfürstliche durchlaucht zue deducieren[8], das der Huebhauß[9] khauff quæstionis[10] denenselben höchst schädlich und disen khauff alleinig ich zue meinem aigenen interesse underthenigist eingerathen und gehorsambst hette beförderen helffen. Der herr ambts stattamman und herr vogteyverwalter, ad exemplum Herodis et Pilati ad invicem amici facti[11], frequentieren[12] ihre zuesammenkhünfften sogahr durch ab- und verborgene weeg. Wann die glockhen gahr gegossen, will ich disem geleuth mit gusto[13] zuehören.

In allen hac in causa[14] endtstehenden motibus[15] wirdt stattamman und rathes nammen spendiert, wohingegen nur einige wenige, aliis ombibus infias[16], dißen unnöthigen strepitum[17] unnderhalten, und billich quæstio status[18] ahn jene zue formieren were. / Sollten ewr hochfürstlich durchlaucht wahrnemmen, das in puncto des küeffers hoffstättels es wider vermuethen difficultäten[19] abgegen möchte, dörffte ohne underthenigst gehorsambste maßgebung nit übel gerathen sein, selbiges nur bald in wind zue schlagen, damit man præcise[20] mit dem landtsfürstlichen Huebhauß und mitnichten, was immediat[21] bürgerlich were, zue thuen hette, alsdann auch im fahl eine hochlobliche Hoffcammer die in meinem letsten dahin erstatteten bericht vorgeschlagene conferenz belieben würde, leichter et sine ullo alio strepitu penetrieren[22] köndte. Neben deme bringet besagtes brandtstättl newlich gehorsambst berichteter massen kheinen sonderbahren nuzen. Es wollen auch die mehrere behaubten, das derjenige, wellicher etwas gemeinsames abzubrechen und gemeinsamblich widerumben zue reædificieren[23] hette, ein dises aber auf beschehende denuntiation[24] unnderlassete, nit allein die gemeinsame, sonder auch alle andere iura[25], als da seind tignum vel lignum mittendi[26] nach dem stattgebrauch auff ewig verliehre, / quibus positis[27], bey erpawung der Huebhauß brandtstatt ein merckhliches zu erpawen were, zumahlen diße mit sollichen kelleren versehen, welche dennen ybel gemeinten gegenwerttigen unnöthigen grausen verursachen, zue geschweigen, wie dieser erst wachsen würden, da auch das Annaische brandtstättl und keller bey jenen verbleiben müesste.

In wie weith gesuchten terminis ahn hochlobliche Hoffcammer der guggerische bericht abgangen, geruehen sich ewr hochfürstlich durchlaucht aus dem anschluß gehorsambst verlesen zue lassen, zue hochfürstlichen hulden und gnaden anbey mich underthenigist gehorsambst empfehlendte.

Eur hochfürstlich durchlaucht, etc., etc.

Veldtkhirch[28], den 10. Decembris anno 1700.

Underthänigst, threw gehorsamster.

Johann Franz Paur[29], manu propria[30]. /

[Beilage]

Copia eines guetachtlichen berichtsschreiben, so von herrn vogteyverwalter Gugger zue Feldtkirch dem 25. Octobris 1700 an löbliche Oberösterreichische Hoffcammer abgangen und eingeschickht worden.

Es haben eur excellenz und gnaden über das von stattamman und rath der statt Feldkirch wegen der dem fürstlich liechtensteinischen landtvogten herren Johann Frantz Pauren in der begehrten maassen hie mit zuerückh remittierende[31]n beylaag eingefürten motiven[32] und ursachen willen gehorsames anlangen von mier meinen bericht underm 18. labentis[33] gnädig verlangt, warauf nun zue gehorsammen vollzug dessen meine unmassgäbliche meinung gedachter statt Feldkirch vorschützende motiva, warumben ahnhero der zuggedachten verkaufften brandtstatt gegen baarer bezahlung gelassen werden solle, sehr remarcabl[34] seyn in erwegung daß, wan seyn solte, daß gedachter herr landtvogt die immunitet[35] diser erkaufften, als wie sie zuevor, dan sie ein landtfürstlich Huebhauß iurisdiction[36], sonderen auch daß ius collectandi[37] und andere dergleichen nach sich ziehende iura mörckhlichengeschmöleret würden, indeme das ietzmahlige Neye erkauffte Huebhauß[38] bey diser seiner verenderung per necessariam consequentiam[39] die immunitet und exemption[40] auch bekhomen, und der statt steir und collecta entzogen wordten, da hingegen diser abgang ihro statt die immunitet, welche sie qua[41] Huebhauß gehabt, auch noch behalten würde, da doch ehe bevor dises abgebrunnene Huebhauß von allergnädigster herrschafft zue einem / Huebhauß erkaufft und applicirt[42] wordten, es einen bürgerliche wohnung und mithin auch der statt iurisdiction angehörig und collectabl[43] gewesen, und allein darumben frey worden ist, weilen es hinnach zue einem landtsfürstlichen huebhauß[44] gemacht worden, darumen aber keinesweegs dises privilegium immunitatis tanquam ius reale et privilegium fundo inhærens[45], sonderen allein qualitativum[46], so lang es nemlich huebhauß bleiben werde, erlanget hatt. Indeme aber nach erlittener feursbrunst ein anderes collectables bürgerliches hauß für ein huebehauß erhandlet, solches auch allein wegen diser qualitet gleich wie das abgebrante, die immunitet erlanget, und mithin der statt aus ihrer bottmässigkheith und collecta entzogen worden, alß erwachte ich demnach billich zue sein, das ihro diser abgang mit überlassung diser brandtstatt gegen paarer bezahlung ersetzet werde, und zwahr darumben umb so vill mehr, weilen ohnediß die bürgerschafft sehr schwach, disen brandtstatt aber für 2 bürgerliche behaußungen gantz commod wäre, wie es dan auch 2 dergleichen waren, wordurch daß aerarium publicum[47] und zuemahlen daß landsfürstliche interesse[48] desto ehender geeuffnet und gemähret würde, als wan dise brandtstatt an einen extraneum[49] und sonderhaitlich an einem so potenten herren, und mit diser suchenden immunitet und exemption khomen solte. Neben deme, das durch solche überlassung der statt diser brandtatt gegen bedingte kauffgelt ein abschnitt vihler besorglichen ungelegenhaiten missverständtnuss und denen gemainen wesen högst schädlichen introductionen[50] sein würde, insonderheit wegen verschliess des weines, weilen sich schon disen herbst hero in facto[51] zeiget, das mehr / gedachtem fürstlich liechtensteinischen landtvogt ein überauß grosse quantitet[52] von schellenbergischer herrschaffts-weinen in solche erhandlete brandstattes keller transportiren lassen, und mithin auch solche zue versilberen trachten wirdt, wordurch der gmainen bürgerschafft, wie auch der gesambten landtschafft ahn verschliessung ihrer aigenen weinen wegen introduction so vihler außländischen weinen (worinnen doch ihr mehriste gewärbschäfft und das einige mittel ist, warauß sie ihre herrschäfftliche præstanda[53] bestreitten miessen) eine unerträgliche beschwärnuß erfolgen würde, welche wohl auch auf allergnädigste landsfürstliche herrschafft selbsten wegen dero erwaxendten herrschaffts weinen redundiren dörffte. Nebendeme das zue besorgen, es möchte gedachter herr landtvogt dise suechende exemption mit der zeith wohl auch auf das umgelt extendieren[54] wollen, wordurch nit allein gemeinen statt Feldkirch, sonderen auch denen gesambten landtsständen, als welche dises gefäll[55] und regal titulo oneroso[56] von gnädigster landtsfürstlicher herrschafft geniessen, ein neyerliche beschwerde zuegehn dörffte, da hingegen auf solchen fahl hin weder allergnädigst landsfürstliche herrschafft, noch das gemaine wesen die wenigiste nutzbarkheit von dergleichen fremden käufferen nit haben würde. Zue præcavierung[57] dessen allen aber wäre ich der unmassgbälichen meinung, es möchte der statt Feldkürch in disem ihren begehrung mitt überlassung bedachter brandstatt gantz wohl und billich gratificiert[58] werden, in sonderer erwegung, daß löbliche Hoffcammer wenig daran gelegen, sie haben daß kaufgelt von disem oder jenem. Welches dan ist, so ich gnädig anbe- / fohlner maassen (jedoch ohne mindiste massgebung) zue berichten nit underlassen sollen. Mithin zue beharlichen gnaden mich gehorsamb empfelend.

Feldtkirch, den 25. Octobris anno[59] 1700.

Eurer excellenz und gnaden.

Underthänig gehorsammer.

Johann Frantz Gugger von Staudach. /

[Rubrum]

Præstentatum[60], den 21. Decembris 1700.

Schellenbergischer verwalter.

[Adresse]

Dem durchleuchtigisten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heyligen Römischen Reichs[61] fürsten und regiereren des hauß Liechtenstein von Nickholspurg[62], in Schleßien[63] herzogen zue Troppaw[64] und Jägerndorff[65], rütteren des Guldinen Flüss[66], der römisch kayserlichen mayestät[67] etc. etc. würkhlichen gehaimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem gnedigsten herren.

Wien[68] per[69] Feldtsperg[70][a]

Franco ½

 


 

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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Feldkirch (A).

[3][Flectere]superos si nequeo, Acheronta movebo“: wenn ich die Götter (der Oberwelt) nicht bewegen kann, werde ich die (der) Unterwelt bewegen. Vgl. Vergil, Aeneis (VII, 312). 

[4]beabsichtige.

[5]Rückzugs [aus dem Kaufvertrag].

[6]Rechtfertigung.

[7]Innsbruck (A).

[8]anzubringen.

[9]In der Schlossergasse 8 in Feldkirch befindet sich das Palais Liechtenstein. Vorher stand an dieser Stelle das kaiserliche oberösterreichische Hubhaus. Nachdem dieses bei einem Stadtbrand 1697 abbrannte, kaufte Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein diese Brandstätte zusammen mit der angrenzenden kleinen Anna’schen Brandstatt und ließ auf beiden Brandstätten ein Amtshaus errichten, welches von den liechtensteinischen Landvögten im 18. Jahrhundert verwendet wurde. 1774 wurde das Gebäude verkauft. Heute befindet sich darin das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek. Vgl. Arthur Hager, Das ehemals fürstlich liechtensteinische Haus in Feldkirch. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 63, Vaduz 1964, S. 141–153; hier: S. 143–144; Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Vorarlberg, Feldkirch, Profanbauten, Schlossergasse 8, Ehemaliges Palais Liechtenstein. Topographisches Denkmälerinventar herausgegeben vom Bundesdenkmalamt. bearb. in der Abteilung für Denkmalforschung, früher: Institut für österreichische Kunstforschung. Bearb. von Gert Ammann, Martin Bitschnau, Paul Rachbauer, Helmut Swozilek mit Beiträgen von Géza Hajós, Horst R. Huber, Herlinde Menardi, Elmar Vonbank. Verlag Anton Schroll & Co, Wien 1983, S. 207.

[10]in der Rechtsfrage.

[11]ad exemplum Herodis et Pilati ad invicem amici facti“: als Beispiel Herodes und [Pontius] Pilatus sich wechselseitig anfreunden.

[12]besuchen.

[13]Wohlgefallen.

[14]hac in causa“: in dieser Angelegenheit.

[15]Unruhe.

[16]aliis ombibus infias“: für alle anderen reden.

[17]Lärm.

[18]quæstio status“: den Untersuchungsstand.

[19]Schwierigkeiten.

[20]genau.

[21]direkt.

[22]et sine ullo alio strepitu penetrieren“: und ohne irgendeinen anderen Lärm drängen.

[23]aufzubauen.

[24]Androhung.

[25]Rechte.

[26]tignum vel lignum mittendi“: Balken oder Holz liefern würde.

[27]quibus positis“: dieses dargestellt.

[28]Feldkirch (A).

[29]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[30]eigenhändig.

[31]gesendeten.

[32]Gründe.

[33]vergangenen [Monats].

[34]bemerkenswert.

[35]Unantastbarkeit.

[36]Gerichtsbarkeit.

[37]Steuerrecht.

[38]Nachdem das ehemalige kaiserliche Hubhaus in Feldkirch, nunmehrige Palais Liechtenstein, 1697 abgebrannt war, übersiedelte das kaiserliche Hubamt in ein Gebäude in Feldkirch, in dem sich bis 2011 das Gasthaus „Zum Ochsen“ (Marktplatz 7) befand. Vgl. Andreas Ulmer, Das Hubamt in Feldkirch, in: Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 1974/75, S. 81–104; hier: S. 82.

[39]per necessariam consequentiam“: als notwendige Folge.

[40]Herausnahme.

[41]insoweit [durch das]

[42]hinzugefügt.

[43]besteuerbar.

[44]Das Hubamt in Feldkirch war die landesfürstliche Finanzverwaltung, die für den Steuereinzug zuständig war. Vgl. Arthur Hager, Das Hubamt in Feldkirch. In: Jahrbuch des Vorarlberger Landemuseumsvereins 1974/75, S. 81–104; hier: S. 81–82.

[45]privilegium immunitatis tanquam ius reale et privilegium fundo inhærens“: Vorrecht der Befreiung von Abgaben sowie königliches Recht und Vorrecht dem Grund anhaftet.

[46]beschaffen ist.

[47]Staatskasse.

[48]Zinsen

[49]Fremden.

[50]Anfänge; Einführungen.

[51]tatsächlich.

[52]Anzahl.

[53]Leistungen.

[54]ausdehnen.

[55]Abgaben,

[56]regal titulo oneroso“: königlichen Rechte schwer.

[57]Vorsorge; Verhütung.

[58]belohnt; bezahlt.

[59]im Jahr.

[60]Vorgelegt.

[61] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[62]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[63]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[64]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[65] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[66] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[67]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[68]Wien (A).

[69]über.

[70] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.