Das „Liechtensteiner Volksblatt“ befürchtet die Verschleppung der Maul- und Klauenseuche von Graubünden nach Liechtenstein


Artikel im „Liechtensteiner Volksblatt[1]

20.6.1913

Alpfahrt

Die Alpfahrten haben begonnen und sind bereits in vollem Zuge. Der vielbeschäftigte Bauer atmet erleichtert auf, da ihm die, bei dieser Jahreszeit besonders schwere Last der Viehbesorgung für einige Wochen abgenommen wird. Auch die Tiere fühlen sich wohler, hoch oben auf grüner Alpenweide, als zu Hause im dunstigen heissen Stalle. Die Alpen sind für die viehzuchttreibende Landwirtschaft eine unschätzbare Wohltat und sollen auch demgemäss gewertet werden, durch richtige Instandhaltung und Verbesserungen verschiedener Art. Diese Bestrebungen, wenn sie auch mit Mühe und Kosten verbunden sind, lohnen sich und sollen stets im Auge behalten werden. Eine schwere Gefahr droht der diesjährigen Alpwirtschaft durch die im Kanton Graubünden, in unmittelbarer Nähe der liechtensteinischen Grenze grassierende Maul und Klauenseuche. Eine Verschleppung der Seuche aus die Bündner Alpen wird kaum vermieden werden können und die Weiterverbreitung auf die angrenzenden Liechtensteiner und Vorarlberger Alpen ist bei dem, zu dieser Jahreszeit besonders regen Grenzverkehr im Gebirge, sehr zu befürchten.

Der Wachsamkeit und Energie der fürstl. Regierung und der Sanitätspolizei, unterstützt durch die Opferwilligkeit der Bevölkerung, ist es bisher gelungen, die verderbliche Seuche von unserem Lande fern zu halten. [2] Möge es auch jetzt zur Zeit der grössten Gefahr gelingen, dem gefährlichen Feinde, der, einmal auf unsere Alpen eingedrungen, für unser Land von katastrophaler Wirkung werden könnte, an der Grenze Einhalt zu gebieten. Das walte Gott. [3]

Nach dem letzten schweizer. Seuchenbulletin vom 9. – 15. Juni sind verseucht und verdächtigt: Graubünden: Bez. Unterlandquart, Fläsch 14 St. [Ställe], 2 W. [Weiden], 201 R. [Rinder], 21 Schw. [Schweine], 10 Z. [Ziegen] und 455 Schf. [Schafe], wovon (2 St., 1. W., 10 R., 342 Schf. neu). In ganz Graubünden total 39 St., 3 W., 542 R., 22 Schw., 77 Z., und 455 Schf., wovon (4 St., 2. W., 82 R., 1. Schw., 65 Z. und 242 Schf. neu).

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[1] L.Vo., Nr. 25, 20.6.1913, S. 1-2. Vgl. etwa auch L.Vo., Nr. 41, 10.10.1913, S. 1-2 („Landwirtschaft“) und L.Vo., Nr. 47, 21.11.1913, S. 1 („Landwirtschaft“). Vgl. ferner den Sammelakt zur Maul- und Klauenseuche unter LI LA RE 1913/0004, z.B. betreffend die Verhängung einer Weidesperre für Vieh in der Gemeinde Fläsch durch das Innendepartement des Kantons Graubünden am 14.5.1913 (LI LA RE 1913/1508 ad 0004/1389). Einen Jahresrückblick auf die kritische Lage der liechtensteinischen Landwirtschaft lieferte Landtagspräsident Albert Schädler in der öffentlichen Landtagssitzung vom 8.11.1913 (siehe LI LA LTA 1913/S04/2 oder L.Vo., Nr. 46, Erstes Blatt, 14.11.1913, Beilage („Bericht über die Landtagssitzung vom 8. November 1913“).
[2] In Balzers wurden verschiedene Gegenmassnahmen ergriffen, namentlich wurde der Grenzübertritt für Vieh untersagt.
[3] Bereits am 25.6.1913 wurde auf der liechtensteinischen Alpe Gapfahl der Befall mit der Maul- und Klauenseuche festgestellt.