Liechtenstein stellt sich an der internationalen Ausstellung für Büchergewerbe und Graphik (Bugra) in Leipzig als Kulturstaat dar


Bericht im Liechtensteiner Volksblatt, nicht gez.[1]

Das Fürstentum Liechtenstein auf der internationalen Ausstellung für Büchergewerbe und Graphik (Bugra) in Leipzig.

Von einem Mitgliede des Vorbereitungsausschusses [2] dieser Ausstellung geht uns folgende Zuschrift zu: „Aus Anlass der 150jährigen Jubelfeier der Königl. Buchgewerbeakademie veranstaltet der Leipziger „Deutsche Buchgewerbeverein" von Mai bis Oktober d. J. eine internationale Ausstellung der gesamten Erzeugnisse des Buchgewerbes. Die Ausstellung, welche am 6. Mai, vormittags in Gegenwart des Königs von Sachsen eröffnet wurde, bietet eine Gesamtschau dessen, was in aller Welt auf dem Gebiete der Geisteskultur geleistet wurde. Eine grosse Kulturhalle, die der bekannte Historiker Professor [Karl] Lamprecht mit dem Aufwand von 1'200'000 Mk. geschaffen hat, gibt zunächst einen Überblick über die Entwicklung und allmählige Steigerung des heutigen Kulturlebens. Pavillon über Pavillon, alle im heimischen Stil erbaut, bieten guten Überblick über die Erzeugnisse der einzelnen Staaten der Erde. Man kann sagen, dass alle Welt vertreten ist. Aber auch die einzelnen Branchen fehlen nicht. Buchdruckerei, Kinoindustrie, Papierfabrikation, Buchbinderei, Maschinen für das Buchgewerbe, alle diese Faktoren des heutigen Pressewesens, sie haben ihre musterhafte Darstellung gefunden".

Unter den Ausstellern befindet sich nun auch die Privatbibliothek des Fürsten [Johann II.] von Liechtenstein und die Regierung des Fürstentums.

Als im Herbste letzten Jahres die Pläne der Ausstellungsverwaltung herangereift und die Schaffung einer Sonderausstellung „Deutsche Geisteskultur" beschlossen war, regte der Leiter der Abteilung „Südosteuropa" dieser Sonderausstellung, Schriftsteller [Friedrich Wilhelm] Brepohl in Wiesbaden, der des öfteren in den gesegneten Gefilden des Fürstentums weilte, an, eine Darstellung der kulturellen Bestrebungen Liechtensteins zu geben und zwar als Landesabteilung.

Nach einigen Schwierigkeiten mit der Verwaltung setzte dieser Plan sich durch. Herrn F. W. Brepohl wurde die Vollmacht für die zu unternehmenden Schritte übertragen. Er wandte sich an Seine Durchlaucht [Johann II.] und an den fürstlichen Hofbibliothekar Herrn Dr. [Hans] Bohatta, reichte ein Immediatgesuch mit der Bitte um Genehmigung des Planes ein und führte die Verhandlungen mit der fürstlichen Regierung. Die fürstliche Regierung kam den Anregungen des Leiters entgegen und übernahm es selbst, das Material zusammenzustellen.

Da für diese Sonderausstellung der grossen Buchgewerbeausstellung die Darstellung dessen, was in den Schulen zur Ausbildung der Kinder geschieht, von grossem Werte ist, wurde auch diesbezüglich eine Zusammenstellung des Materiales getroffen. Daneben wurde Wert darauf gelegt, bezüglich des Fremdenverkehrs in Liechtenstein einige Anregungen und auch einen Blick in die Geschichte des Landes zu geben.

Dementsprechend zeigen dem Besucher nunmehr 29 Stück „Gesetze und Verordnungen betreffend das Volksschulwesen im Fürstentum Liechtenstein", was hier in dieser Hinsicht geleistet wird. Auch gestatten die Bücher „Rechenbuch für die Mittelklasse" und „Rechenbuch für die Oberklasse und Fortbildungsschulen" einen Einblick in die Unterrichtstätigkeit der liechtensteinischen Schulen selbst. Das neue liechtenst. Lesebuch für die Oberklassen soll nächstens, nach seiner Fertigstellung, nachgetragen werden. Die „Landeskunde zum Gebrauch in den Elementar- und Fortbildungsschulen" zeigt, was bezüglich der Heimatkunde und der Heimatpflege geschieht. Gerade hieraus soll der Besucher erkennen, dass in der Zeit des unstäten Getriebes ein Land wie Liechtenstein sich noch rühmen darf, Bodenständigkeit zu pflegen und zu erziehen. Gerade diese Tatsache ist weit und breit als eine besondere Eigenschaft der Liechtensteiner bekannt. Sie auf der Ausstellung besonders zur Geltung zu bringen, erschien daher dem Leiter als eine unabweisliche Pflicht. Soll doch gerade hier die Eigenart der einzelnen Völker und ihre Charakterzüge mit zur Geltung kommen.

Aber auch der Geschichte Liechtensteins ist gedacht. Von Seiten der Regierung sind die bis jetzt erschienenen 13 Bände des „Jahrbuches des historischen Vereins (1901-1913) für das Fürstentum Liechtenstein“ ausgestellt, denen sich die „Geschichte des Fürstentums Liechtenstein von Johann Baptist Büchel" würdig anschliesst. Die Landkarte des Fürstentums mit Erklärungen und die „Weg- und Touristenkarte" geben die nötigen Erläuterungen und regen gleichzeitig zum Besuch des Landes an. Anschliessend ist noch eine Arbeit des Leiters der Abteilung F. W. Brepohl, Wiesbaden über die Beteiligung eines Mitgliedes des Liechtensteinischen Fürstenhauses an einer Gesandtschaft des deutschen Kaisers an den Sultan der Türkei im 16. Jahrhundert ausgestellt. Um aber den Besucher auch mit dem Leben und Treiben der Bewohner des Landes und mit seinem Handel und Wandel vertraut zu machen, schliessen sich weiter die kompleten Jahrgänge 1909-1913 des „Liechtensteiner Volksblattes" an. So ist das Land mit allem, was zur Kenntnis der Geisteskultur in ihm beiträgt, würdig vertreten.

Der Fürst hat ebenfalls aus seiner berühmten, wissenschaftlich sehr reichhaltigen Bibliothek eine grosse Kollektion zur Verfügung gestellt. Wie wert dieses Entgegenkommen Sr. Durchlaucht von Seiten der Ausstellungsleitung geschätzt wurde, geht aus dem Umstand hervor, dass von Anfang an der Bibliothekar der Fürstlichen Bibliothek Herr Dr. Bohatta in den Arbeitsausschuss gewählt wurde und dass dieser während der ganzen Vorbereitung zu dieser Ausstellung beratend und helfend mitwirkte.

So wäre denn Liechtenstein auf der ersten grossen Welt-Schau der Geisteskultur würdig vertreten. Aus allen Ländern der Erde treten Besucher an die kleinen, bisher fern vom Getriebe der grossen Welt im Verborgenen und in der Stille gewesenen geistigen Schätze des Landes heran und lernen hier sich mit den heimischen Verhältnissen bekannt machen. Nicht wenige dürften dadurch angeregt werden, auch dem Fürstentum Liechtenstein in Zukunft ihr Interesse zu schenken.

Im August ist ein Kongress für Deutsche Geisteskultur geplant; auf diesem Kongress werden Vertreter aller Länder zum Worte kommen. Für die kleineren Staaten übernimmt ein Kenner der dortigen Verhältnisse das Referat. Das für Liechtenstein hat der Anreger und Leiter der Landesabteilung der Ausstellung, Schriftsteller Brepohl in Wiesbaden übernommen, der durch Reisen in den Dörfern des Fürstentums und durch das Studium der Geschichte des fürstl. Hauses mit den Verhältnissen vertraut ist."

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[1] L.Vo.  Nr. 21, 22.5.1914, S. 1.
[2] Der nicht genannte Verfasser ist vermutlich F.W. Brepohl.