Kaplan Alfons Büchel reagiert auf die Kritik in den Oberrheinischen Nachrichten zu seinen Vorträgen über die Volkspartei und Dr. Wilhelm Beck


Leserbrief von Alfons Büchel im Liechtensteiner Volksblatt[1]

Zwei Stenographen hinter den Kulissen.

Vaduz, den 6. Juli 1919.

Zu meinem Vortrag in Vaduz hat mich niemand gerufen [2], kein Geistlicher und kein Laie und keiner konnte den näheren Inhalt desselben zum voraus wissen, darum trage ich die Verantwortung dafür auch ganz — allein. Und fürchte mich nicht, diese Verantwortung zu tragen. Es soll nur niemand fürchten, ich hätte mich versprochen, denn ich rechnete damit, dass Dr. W. B. [Wilhelm Beck] in meinen Vortrag komme. Die Stenographen hinter den Kulissen nützten also nichts. Sie nützen auch vor dem Landgerichte nichts, denn zwei hinter Kulissen können zusammenschreiben, was sie wollen.

Wenns nötig wird, schwöre ich vor Gericht einen Eid, dass in Nr. 50 der „Oberrheinischen Nachrichten" („Unterländer") vom 9. Juli die Sätze falsch sind: „ ...  entweder gutwillig oder auch wenn es Blut koste." — Dieser Ausdruck: ,, ... auch wenn es Blut koste" ist eine Lüge, eine Erfindung, eine Verleumdung.

Beide Artikel in Nr. 50 der „Oberrheinischen Nachrichten" „Eine blutrünstige Herausforderung" und in Nr. 54 „Zur Bluthetze" sind — horrende Verdrehungen meiner Rede. In Balzers können mir zirka hundert Mann Zeugen sein, wie Dr. Wilhelm Beck in der Diskussion der Versammlung für die landwirtschaftliche Schule — meine Worte verdrehte. Darum soll sich niemand über jene Artikel in Nr. 50 und 54 wundern, denn entweder ist — er der Verfasser oder einer aus seiner politischen Schule.

Ich fordere als Liechtensteiner in Liechtenstein das — Recht auf Wahrheit. Ist die Valuta der Wahrheit in unserem Vaterlande unter die der Papierkronen gesunken? — Richtig ist, was die zwei Artikel im „Volksblatt" Nr. 55 vom 12. Juli ausführen. Wenn ich die Wahrheit wissen will, lese ich das „Volksblatt" und nicht die „Oberrheinischen Nachrichten". Meine, im Vortrag ausgesprochene — Befürchtung, es werde in Liechtenstein noch Blut fliessen, fördert Dr. W. B. in den „Oberrheinischen Nachrichten" Nummer für Nummer.

„Der Grundton" meiner Rede war nicht: „wohl anerkenne die Volkspartei den Fürsten, aber sie wolle ihm alle Rechte wegnehmen." Ich habe nie gesagt, die Volkspartei anerkenne den Fürsten. Das ist wieder eine Erfindung, erfunden hinter den Kulissen.

Der Grundton meiner Rede war: „Wir sollen in der Politik den Boden der Kirche nicht verlassen".

Herr Dr. Wilhelm Beck!

Ich behauptete:

1. Dass Ihre bisherige Politik nicht christlich-sozial ist.

2. Dass Ihr Ziel, soviel ich sehe, nach wie vor die Absetzung des Fürsten ist.

3. Dass Sie für keine friedliche Vereinbarung mit der Bürgerpartei zu haben sind.

Wenn Sie nun offen erklären vor dem ganzen Lande, dass Sie in Zukunft Ihre politischen Handlungen nach den Lehrsätzen der katholischen Kirche, nach den Weisungen des hochwürdigsten Diözesanbischofes (Hirtenschreiben Nov. 1913) richten werden und diese Erklärung auch befolgen, dann gebe ich obige Behauptungen auf, dann können wir wieder Dutzfreunde werden, dann haben Sie die Geistlichen nicht mehr als Gegner.

Ihr Landsmänner im Oberland, Ihr habt in jeder Gemeinde ruhigdenkende Mitbürger mit klarem Verstande und treuem Herzen! In ihre Hand leget bei einer kommenden Wahl die Geschicke unsererHeimat!

Alfons Büchel, Landkaplan.

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[1] L.Vo. 6.8.1919, S. 2
[2] Diese Formulierung bezieht sich auf die Behauptung in den Oberrheinischen Nachrichten, dass Kaplan Büchel "ein von hiesigen Drahtziehern bestellter Agitator" sei. O.N. 9.7.1919, S. 1.