Der „Liechtensteinische Arbeiterverband“ fordert die Erlassung eines „strengen“ Wuchergesetzes für Lebensmittel und Bedarfsartikel


Handschriftliches Schreiben des „Liechtensteinischen Arbeiterverbandes“, gez. „Arbeiterpräsident“ Friedrich Kaufmann, an Regierung und Landtag [1]

27.4.1920, Vaduz

An die hohe fürstl. Regierung,

an den hohen Landtag

Laut Beschluss der Ortsgruppen des Liechtensteinischen Arbeiter-Verbandes unterbreiten wir einer fürstlichen Regierung und dem hohen Landtag folgenden einstimmigen Beschluss zur Kenntniss.

Der Wunsch und das gerechte Verlangen der Liechtenst. Arbeiterschaft wirkt unverzüglich dahin, dass von Seite der Regierung u. des Landtages ehestens ein strenges Wuchergesetz erlassen werde, damit die nötigen Lebensmittel u. notwendigsten Bedarfsartikel nicht ohne Grund unsinniger Weise ins Unerschwingliche getrieben werden. Die Löhne der Arbeiter sind heute den Verhältnissen entsprechend schwach genug bemessen, so dass, ohne dass der Arbeiter in schwere Not kommt, keine weitere Steigerung der Preise für die im Lande erhältlichen Lebensmittel mehr stattfinden darf. [2]

Ein weiterer Beschluss lautet dahin, dass, wenn Gesetze geschaffen werden, von denen das Wohl u. Wehe der Liechtensteinischen Arbeiter in Betracht kommen, zwei Mitglieder der Arbeiterschaft zur Schaffung dieser Gesetze beigezogen werden sollten. [3]

______________

[1] LI LA RE 1920/1969. Gemäss Vermerk von Regierungschef Josef Ospelt vom 19.9.1921 mit Bezug auf Zahl 1893 21 ad acta gelegt. Stenographische Bemerkung. – Vgl. den Forderungskatalog des Arbeiterverbandes an die Regierung vom 25.3.1920 (LI LA RE 1920/1452) sowie das Antwortschreiben von Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein vom 6.4.1920 (ebd.).
[2] Vgl. das Zins- und Wucher-Gesetz vom 24.11.1921, LGBl. 1921 Nr. 24. Vgl. hiezu den undatierten Motivenbericht zur Regierungsvorlage betreffend die Erlassung eines Zins- und Wuchergesetzes (LI LA RE 1921/1893). Der Gesetzentwurf wurde gemäss Schreiben des Landtagspräsidiums an die Regierung vom 16.11.1921 vom Landtag in seiner Sitzung vom 15.11. ohne Änderung einstimmig angenommen (LI LA RE 1921/5079 ad 1893). 
[3] In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Augustin Marogg, der ab 1921 als Präsident des Arbeiterverbandes fungierte, von 1922-1926 für die Christlich-soziale Volkspartei (VP) im Landtag vertreten war.