Ein Leserbriefschreiber schildert das Wüten der Grippe in Mauren


Lserbrief, nicht gez. [1]

8.1.1919

Mauren. Grippe und Nächstenliebe. Bei uns wütet das Gespenst Grippe noch immer mit aller Wucht und fordert seine Opfer. Es fordert Opfer an Menschenleben und Opfer der Nächstenliebe. Es sind gegenwärtig bei uns 25—30 Grippekranke, von denen die Hälfte Schwerkranke. In manchen Häusern liegen alle Mitglieder der Familie darnieder und solche Leute sind direkt auf die Hilfe der Nachbarn oder Verwandten angewiesen und wie sieht es da oft in der Nächstenliebe aus! Doch gibt es Gott sei Dank noch einige beherzte Leute, die aus Nächstenliebe sich für die Not der Betroffenen einsetzen, während viele aus blosser Scheu und Furcht kaum an Häusern von Grippekranken vorbei sich getrauen, ohne zu denken, dass sie auch an die Reihe kommen könnten. Diesen möchte das Sprichwort gelten: „Wie du mir, so ich dir". Was unser H. H. Kaplan [Silvan Hoop] im Dienste der Nächstenliebe leistet, heisst sehr viel. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein sehen wir diesen Herrn bald an diesem, bald an jenem Ende des Dorfes; in diesem Hause die hl. Sakramente spendend, in jenem als Pfarrer Kneipp den Kranken mit Wasser oder anderen Naturheilmitteln ergötzend, in einem andern Hause als praktischer Arzt durch gute Ratschläge und Hausmittel schmerzstillend wirkend. Ohne Übertreibung darf man behaupten, unser H. H. Kaplan hat dem Grippegespenst manches Opfer aus den Klauen gerissen. Möge der Herrgott sein Wirken lohnen! Möge der Herrgott uns im neuen Jahr vor neuen Heimsuchungen verschonen!

Ein Grippegeheilter.

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[1] L.Vo. 8.1.1919; S. 2.