Der Präsident der nationalrätlichen Zolltarifkommission Theodor Odinga erstattet Bericht über den Zollvertrag mit Liechtenstein und stellt Antrag auf Zustimmung zum Zollvertrag


Protokoll der 19. Sitzung des Nationalrats, Bericht des Präsidenten der Zolltarifkommission Theodor Odinga zum Traktandum "11/1748. Liechtenstein. Vertrag über den Zollanschluss"  [1]

21.12.1923

Odinga: Die Zolltarifkommission beantragt Ihnen, auf die Botschaft des Bundesrates über den Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein wegen des Anschlusses des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet einzutreten und den Vertrag in globo zu genehmigen.

Es ist geraume Zeit verstrichen, seitdem der Ständerat diese Frage behandelt hat. Es ist auch etwas lange gegangen, bis unsere Kommission dazu gekommen ist, definitiv zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Sie ersehen daraus, dass Ihre Kommission nicht mit einer besonderen Vorliebe auf die Vorlage eingetreten ist. Sie sehen daraus aber auch, dass wir uns von keinen Voreingenommenheiten haben leiten lassen, sondern der Sache gründlich nachgegangen sind. Es ist Ihnen bekannt, dass gegen den Zollvertrag mit Liechtenstein von Anfang an eine Reihe von Widerständen aufgetreten ist, dass ganz besonders ein Werdenberger Komitee in Buchs der Vorlage im Volke draussen durch Verteilung der Broschüren, die den gegnerischen Standpunkt verfechten, an die Mitglieder des Rates, Opposition gemacht hat.

Wenn wir auf den ganzen Gang der Ereignisse zurückblicken, wie sie sich seit dem Erscheinen der Botschaft des Bundesrates ab¬ gewickelt haben, und wenn wir die Ereignisse betrachten, die dieser Widerstand gezeitigt hat, so müssen wir und wollen wir ohne irgendwelche Einwände zugestehen, dass es doch von Gutem gewesen ist, wenn einer einfachen Zustimmung etwas Opposition erwachsen ist. Der Hauptgrund der Opposition gegen den Zollvertrag mit Liechtenstein lag hauptsächlich in der Ungewissheit, wie sich die Bahn- und Zollverhältnisse in unserem schweizerischen Grenzbahnhof in Buchs gestalten würden. Die Sorge, die gerade Buchs in dieser Hinsicht hatte, war durchaus berechtigt, und in Anerkennung der Berechtigung dieser Besorgnisse hat denn auch die Kommission ihren Antrag hinausgeschoben und hinausgezögert, bis vollständige Klarheit über die zukünftige Gestaltung der Bahnhofverhältnisse und der Zollabfertigungsverhältnisse in Buchs vorhanden war.

Es ist selbstverständlich, dass bei der Verfolgung dieses Hauptzweckes durch das Werdenberger Komitee auch eine etwelche Drapierung dieses Hauptgrundes notwendig gewesen ist. Wir wollen es den Herren auch nicht verargen, wenn sie in dieser Drapierung des Hauptgrundes gelegentlich auch etwas daneben hinausgeschlagen haben. Dafür bot eine Konferenz, die wir in Buchs abgehalten haben, und bei welcher die Interessenten von Buchs zu Worte gekommen sind, den deutlichsten Beweis.

Letzten Endes haben diese Widerstände dazu geführt, dass durch unser Politisches Departement die Verhandlungen mit Österreich über die Bahnhofverhältnisse in Buchs mit allem Nachdruck und, ich möchte fast sagen, dann und wann mit Hochdruck stattgefunden haben und dass heute vom Politischen Departement die Erklärung vorliegt, die Regelung sei durch einen gegenseitigen Notenaustausch erfolgt, nicht etwa bloss im Sinne der Wünsche unserer Buchser Miteidgenossen, sondern im Sinne einer vollständigen Anerkennung des Weiterbestehens der Verträge von 1870 und 1872.

Aus diesen Erklärungen ersehen wir, dass sich die parallel laufenden Bestrebungen dahin auswirken, dass die Verzögerung in der Behandlung der Frage des Zollanschlusses ebenfalls zu einem glücklichen Ende geführt hat. Die Kommission ist nun einstimmig der Auffassung, der Nationalrat könne nunmehr dem Zollvertrag zustimmen, damit dieser auf Neujahr 1924 in Kraft treten kann.

Wir können uns hier fragen: wie kam es zu diesem Vertrage? Sie finden in der Botschaft des Bundesrates in sehr anschaulicher Weise geschildert alle die Verhältnisse und die verschiedenen Stadien, die zu diesem Vertrage geführt haben. Die einfache Tatsache der Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie hat Liechtenstein genötigt, an Stelle der früheren Anlehnung an Österreich, dessen wirtschaftliche Existenz ja auch heute noch gefährdet oder wenigstens noch nicht vollständig wieder hergestellt ist, eine andere Stütze für seine volkswirtschaftliche Entwicklung zu suchen. Hier könnte man die Frage einwerfen, ob es von Gutem sei, wenn ein Fürstentum mit der Schweiz und ihren ausgesprochen republikanischen Formen einen so weitgehenden, in die wirtschaftlichen und wohl auch in die politischen Verhältnisse eingreifenden Vertrag abschliesst. Es ist aber zu sagen, dass das Fürstentum Liechtenstein wohl heute noch ein Fürstentum ist, aber ein Fürstentum, in welchem die Volksrechte sehr weit ausgebildet sind, und zwar in einer Richtung, die sich unsern Anschauungen wesentlich nähert. Dass Liechtenstein naturgemäss die Stützung seiner Wirtschaft nicht in der Ferne suchen konnte, ist klar. Es war und ist auf die Nachbarschaft angewiesen, und wenn es die Nachbarschaft mit Österreich wirtschaftlich verlassen hat, weil es sie verlassen musste, so ist es gegeben, dass es eben den Anschluss bei der Schweiz suchte. Alle die Dinge, welche zu engeren wirtschaftlichen Verbindungen führten, sind also eigentlich von selbst aus Liechtenstein herausgewachsen. Da ist einmal die Einführung der Schweizerwährung. Sie ist vollständig aus dem Volke herausgewachsen. Hei unserem Besuche und einer Besichtigung dort erzählte man uns, wie diese Einführung des Schweizer Frankens vor sich gegangen ist. Eines Morgens habe der Schmied in Balzers, seinen Kunden, den Bauern, erklärt, dass er ihre Werkzeuge nur mehr spitze, wenn sie ihm den Lohn in Frankenwährung auszahlten. Die Bevölkerung habe das einen Tag nicht wollen. Da habe ihnen der Schmied erklärt, dann liege er unter seinem Birnbaum im Lande draussen und warte, bis die Herrschaften kommen. Am andern Tage seien sie gekommen und hätten sich bereit erklärt, ihm aber nun die Gegenbedingung gestellt, dann müsse auch er ihnen ihre Produkte in Schweizerwährung zahlen. Das sei dann geschehen, und in ganz kurzer Zeit hätten sich diese Verhältnisse über das ganze Ländchen verbreitet. Letzten Endes sei es die Regierung gewesen, die dann nachgehinkt sei.

Wir sehen auch, dass Liechtenstein in den letzten Jahren dazu übergegangen ist, sein staatliches Finanzwesen auf eine neue Basis zu stellen. Es hat sich dort eine moderne Steuergesetzgebung herausgebildet, um die Volkswirtschaft aus eigener Kraft zu heben und zu fördern und auch hier die bisherige Abhängigkeit finanzieller Art vom Fürsten zu beseitigen. Wir sehen ferner, wie in den letzten Jahren eine neue Gerichtsverfassung entstanden ist, die bei näherer Betrachtung unserem schweizerischen Gerichtswesen durchaus nachgebildet ist.

Es erhebt sich die Frage: Kann Liechtenstein sich volkswirtschaftlich selbständig erhalten? Die Frage kann, wenn wir sie objektiv betrachten, nicht mit Ja beantwortet werden. Früher war der wirtschaftliche Stützpunkt Liechtensteins Österreich-Ungarn. Im Post-, im Telegraphen- und Telephonwesen, wie auch im Zollwesen war Liechtenstein mit Österreich verbunden. Die Dinge haben sich geändert dadurch, dass Liechtenstein sein Verhältnis mit Österreich gelöst hat. Ueber die geographische Gestaltung des Landes finden Sie im Bericht des Bundesrates das Nötige gesagt. Sie haben auch eine Karte, auf der Sie die geographische Konstellation Liechtensteins zu würdigen in der Lage waren. Sie sehen daraus, dass der Abschluss des Ländchens gegen Österreich durch das Gebirge stattfindet und dass einzig eine offene Lücke gegen Feldkirch hin besteht. Die volkswirtschaftlichen Grundlagen Liechtensteins bestehen in der Hauptsache aus Viehzucht, aus Waldwirtschaft und Wein- und Obstbau und auch aus etwas Textilindustrie. Von der letzteren ist zu sagen, dass sie sich ausschliesslich in den Händen von Schweizern befindet. Wir haben schon vor dem Kriege beobachten können, dass der Verkehr Liechtensteins mit der Schweiz ein bedeutender war. Er war schon vor dem Kriege grösser als der Verkehr mit Österreich, und seit dem Kriege hat sich diese Situation noch mehr oder fast vollständig zu Gunsten der Schweiz verschoben.

Wir sehen also, - ich will nicht wiederholen, was in der Botschaft einlässlich gesagt ist, sondern nur auf einige Hauptpunkte hinweisen - dass hier die Bedingungen gegeben sind, um einen Zollanschluss an die Schweiz zu rechtfertigen. Es ist nun klar, dass der Abschluss einmal des Post-, Telegraph- und Telephonvertrages und nun der vor uns liegende Zollvertrag mit Liechtenstein ohne Zweifel zu einer engern Wirtschaftsgemeinschaft führen werde. Eine Folge davon wird sein, dass alle Handelsverträge, welche wir mit andern Staaten abgeschlossen haben, auch auf Liechtenstein ihre Anwendung finden werden. Eine Folge dieser Verhältnisse wird sein, dass der Zollvertrag mit Liechtenstein auf dem Sekretariat des Völkerbundes deponiert werden muss. Es ist auch klar, dass wenn durch das Eingehen solcher Verträge die wirtschaftlichen Beziehungen Liechtensteins mit der Schweiz engere werden, auch unsere wirtschaftliche Gesetzgebung in Liechtenstein in starkem Masse zur Anwendung kommen muss, nicht wegen der Interessen Liechtensteins, sondern ganz besonders wegen unserer eigenen schweizerischen Interessen. Und deshalb darf es uns nicht wundern, dass wir im Anhang zum Vertrag in der Anlage 1 ein sehr stattliches und sehr umfangreiches Verzeichnis der bundesrätlichen rechtlichen Erlasse finden, die auch im Fürstentum Liechtenstein Anwendung zu finden haben. Es ist notwendig, dass unsere wirtschaftliche Gesetzgebung in starkem Masse dort eingeführt wird. Aber ebenso unerlässlich ist es infolge dieser Verhältnisse, dass auch eine Reihe gewisser polizeilicher Vorschriften unserer Gesetzgebungen auf Liechtenstein Anwendung finden resp. in Liechtenstein zur Ausübung gelangen.

Ueber den finanziellen Ausgleich mit Liechtenstein orientiert uns die Botschaft Seite 16 und auf Seite 30 im VII. Abschnitt des Vertrages. Sie sehen daraus, aus Art. 35, dass aus dem Anteil an den Einnahmen auf Zöllen und Gebühren dem Fürstentum Liechtenstein aus der schweizerischen Bundeskasse jährlich ein Betrag von 150,000 Fr. entrichtet werden soll. Ich will mich hier nicht über die Frage auslassen, ob die Ausrichtung dieses Betrages von 150,000 Fr. ein gutes Geschäft ist, das Liechtenstein macht, oder ob die bessere Qualität des Geschäftes auf schweizerischer Seite liegt. Mein persönlicher Eindruck ist der, dass die Schweiz hier möglicherweise ein kleines Opfer bringen wird, dass aber dieses Opfer durchaus ein leicht erträgliches ist, das wir in den Kauf nehmen können. Möglich ist aber allerdings auch, dass die Verhältnisse, die wir ja heute auf Grund der vorliegenden statistischen Materialien nicht überprüfen können, sich für die Schweiz nicht ungünstig gestalten werden.

Im Schlussprotokoll finden wir eine Bestimmung, die sich mit dem Verbot der Errichtung einer Spielbank in Liechtenstein befasst. Man hat ja viel davon gesprochen, dass die Möglichkeit bestehen würde, dass nach berühmten Mustern Liechtenstein veranlasst sein könnte, auch eine Spielbank zu errichten. Es war deshalb gegeben und durchaus nötig, dass diese Frage im Zollvertrag vollständig abgeklärt würde. Es hat dazu geführt, dass im Schlussprotokoll Liechtenstein sich verpflichtet, während der Gültigkeitsdauer des Vertrages keine Spielbank auf seinem Gebiete zu errichten oder zu dulden.

Auch die Ordnung der Viehsömmerung auf den Vorarlberger Alpen hat eine durchaus richtige Regelung gefunden. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Viehsömmerung ist ausgesprochen, aber gleichzeitig ist auch dafür gesorgt worden, dass die uneingeschränkte Anwendung der schweizerischen seuchenpolizeilichen Vorschriften vorbehalten ist.

Der Vertrag ist auf 5 Jahre abgeschlossen. Anstände während der Vertragsdauer finden ihre schiedsgerichtliche Erledigung.

Es dürfen wohl auch einige politische Erwägungen hier an diesen Vertrag geknüpft werden. Man hat auch bei uns von Expansionsgelüsten der Schweiz gesprochen, wenn dieser Zollvertrag mit Liechtenstein in Kraft trete. Erst in den letzten Tagen ist eine solche Nachricht wieder durch eine vorarlbergische Zeitung gegangen, ein Satz, den ich Ihnen nicht vorenthalten will. Unter dem Stichwort "Vollständiger Anschluss Liechtensteins an die Schweiz" hat sich dieses Blatt aus Zürich unterm 14. Dezember melden lassen: "Hier verstärken sich die Gerüchte, dass Liechtenstein einen Anschluss an die Schweiz beabsichtigt und dass zwischen dem regierenden Fürsten von Liechtenstein und der Schweiz Verhandlungen stattfinden, die den vollständigen Anschluss Liechtensteins nach vorheriger Abdankung des Fürsten von Liechtenstein zum Zwecke haben. Das einzige Hindernis ist die Stellung des Fürsten, der nicht abdanken will und auch in der Republik Schweiz über seinen Kanton, der der 23. in der Schweiz werden soll, regieren will. Trotzdem hofft man, zu einer Einigung zu gelangen." Wenn wir in der Fastnacht leben würden oder den 1. April hätten, dann wüssten wir, wohin wir eine solche Meldung zu registrieren hätten. Sie beweist aber die Mentalität, die man an gewissen Orten hat. An der Nachricht ist selbstverständlich nichts wahr als das einzige, dass sie ein verhältnismässig mittelmässig erfundener Witz ist. Ich glaube, dass die geschichtliche Entwicklung unseres eigenen Staatswesens und der Respekt vor dieser Entwicklung bei uns zu gross ist, als dass wir in der Schweiz nur einen Gedanken daran haben könnten, in irgendeiner gewalttätigen Form oder irgendeiner andern Art an eine Vergewaltigung Liechtensteins zu denken. Es ist auch der Gedanke ausgesprochen worden, ob man den anerkannt notwendigen Bedürfnissen Liechtensteins nicht durch Erleichterung des Grenzverkehrs helfen könnte. Es war das auch in den Gegengründen des Werdenberger Komitees zu lesen. Aber wenn wir die ganzen Verhältnisse betrachten, so müssen wir doch sagen, dass das Ganze eine unbefriedigende Halbheit bleiben würde und dass ohne Zweifel aus dieser Halbheit beiden Teilen Nachteile erwachsen würden.

Man hat auch davon gesprochen, dass gewisse konstitutionelle Bedenken geltend gemacht werden können. Ich halte aber die konstitutionellen Bedenken doch für etwas übertrieben. Man hat gesagt, es gehe nicht an, schweizerisches Recht den Liechtensteinern aufzuzwingen. Hier ist doch wohl zu sagen, dass nicht wir es wären, die sich hier zu wehren haben, sondern dass das Sache der Liechtensteiner selbst sein müsste oder hätte sein müssen, sich zu wehren. Man betont die Schwierigkeit der Überwachung der neuen Grenze. Die Zollverwaltung gibt zu, dass es etwas mehr Personal braucht, namentlich für den Anfang, weil sie sich mit Recht sagt, es sei notwendig, mit aller Strenge den Grenzschutz von Anfang an durchzuführen, um denjenigen Elementen, die überall vorhanden sind, und namentlich in Grenzgebieten, die den Schutz der Zollgrenze missachten wollen, gründlich auf die Finger zu klopfen.

Man hat weniger in Fachkreisen, aber mehr in Laienkreisen die Frage erörtert, ob die Struktur des Geländeabschlusses gegenüber dem bisherigen Gelände nicht eine wesentliche Erschwerung des Zolldienstes bringe. Das Gebirge ist im grossen und ganzen unwegsam. Das Unterland dagegen ist offen, und hier werden sich allerdings Verhältnisse zeigen, die eine Erschwerung des Zolldienstes möglich machen. Betrachten wir aber die geographische Lage Liechtensteins, so werden wir sagen müssen, wenn wir dem Zollvertrag mit Liechtenstein unsere Genehmigung nicht erteilen, dass dieses kleine Land eben als ein Keil zwischen der Schweiz und Österreich liegen wird. Oh es für die Schweiz besser sei, wenn ein solcher kleiner Keil von wenigen 100 Quadratkilometern sich zwischen unser Gebiet und das österreichische hineinlegt, möchte ich nicht entscheiden, sondern nur die Frage aufgeworfen haben.

Liechtenstein hat seinerzeit durch die Schweiz beim Völkerbund das Gesuch eingebracht um Aufnahme. Dieses Gesuch ist damals abgelehnt worden, infolge der Feststellung, dass dem kleinen Lande die wirtschaftliche Selbständigkeit fehle und damit auch demselben eine vollkommene staatliche Selbständigkeit versagt sei. Das nötige das Land, bei einem Nachbar Anlehnung zu suchen. Ist nun nicht heute die Schweiz der gegebene Nachbar, Liechtenstein die nötige Hilfe zu seinem wirtschaftlichen Gedeihen zuteil werden zu lassen?

Die Kommission ist nicht ohne allerhand Bedenken an die Frage herangetreten, die heute unseres Spruches harrt. Diese Bedenken haben die Kommission zu einer grundsätzlichen Prüfung veranlasst. Sie hat alle Bedenken und Einwände erwogen, und wenn sie heute dazu kommt, Ihnen Zustimmung zu beantragen, so tut sie es nicht in dem Sinne, dass sie mit grosser Begeisterung in diesen Vertrag eintreten will, sondern sie tut es lediglich aus dem Geiste heraus, der in den Schlussworten der bundesrätlichen Botschaft liegt, nach denen es unsere Pflicht ist, einem kleinen Nachbarn, der durch unsere Hilfe allein wieder auf festen Boden gelangen kann, diese Hilfe zu gewähren. Wir glauben, das tun zu können, nachdem die Bedenken eines gewissem Teils der Grenzbevölkerung, der in erster Linie an dem Vertrag interessiert war, durch die neuerlichen Verhandlungen mit Wien ihre gute Erledigung gefunden haben.

Ich beantrage Ihnen, namens der Kommission, Eintreten auf die Vorlage und Genehmigung des Vertrages in globo.

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[1] Protokolle der Bundesversammlung, 19. Sitzung des Nationalrats vom 21.12.1923. S. 941-948. Online unter http://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc.do?ID=100000331