Die Regierung berichtet dem Landtag über Ein- und Rückbürgerungen, u.a. im Zusammenhang mit der Ungültigkeit einer christlich-jüdischen Ehe aufgrund des liechtensteinischen Zivilrechts


Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der Regierung an den Landtag [1]

12.10.1922

10. Einbürgerungen, Wieder-Einbürgerungen, Adoptionen, Namensänderungen

Die Aufnahme neuer Bürger war im Berichtsjahre weniger zahlreich. In den Bürgerverband aufgenommen wurden 1 Reichsdeutscher in Schellenberg, 1 Reichsdeutscher in Vaduz, 2 Russen in Planken und 1 Reichsdeutscher in Planken.

In den letzten Jahren wurden soviele Aufnahmen in den liechtensteinischen Staatsbürgerverband perfekt, dass die vielerseits geäusserten Bedenken auf Erschwerung der Einbürgerung berechtigt erscheinen. Es wäre sicher an der Zeit, unsere Einbürgerungsgesetze [2] zu modernisieren, indem verlangt wird, dass ein Bürgerrechtskandidat auch tatsächlich in Liechtenstein seit längerer Zeit wohnt. Der ideale Wert unseres Bürgerrechtes schwindet immer mehr und macht materialistischen Zwecken Platz.

Vor Jahresschluss wurden 2 Gesuche um Wieder-Einbürgerung (1 in Triesen und 1 in Triesenberg) anhängig. Die Gesuche konnten 1922 nicht mehr erledigt werden. Die Regierung ist der Ansicht, dass in Fällen von Wieder-Einbürgerungen dem Gesuchsteller unbedingt und ohne Zahlung von Taxen (Stempel und Verwaltungsgebühren ausgenommen) entgegengekommen werden muss. Es handelt sich immer um Leute, denen der harte Existenzkampf die Erwerbung eines fremden Bürgerrechtes aufgezwungen hat.

Ein Ruggeller Familie hat 1922 auf das liechtensteinische Bürgerrecht verzichtet, um sich in Zürich einzubürgern.

Bestätigt wurden im Berichtsjahre 4 Adoptionsverträge, auch wurde eine Wappenänderung genehmigt.

Die Gemeinde Schaan musste eine Frau wieder als gemeindezuständig annehmen, die vor einigen Jahren einen polnischen Juden heiratete, von diesem aber verlassen wurde. Nach dem geltenden Eherechte [3] sind Ehen zwischen Christen und Nicht-Christen verboten; die Regierung nahm den Standpunkt ein, dass die Ehe ungiltig sei.

Endlich wurde noch eine Namensänderung genehmigt.

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[1] Rechenschaftsbericht der Regierung an den Landtag 1922, II. Teil, S. 22.
[2] Vgl. das Gesetz vom 28.3.1864 über die Erwerbung und über den Verlust des liechtensteinischen Staatsbürgerrechts, LGBl. 1864 Nr. 3/1.
[3] § 64 des in Liechtenstein mit fürstlicher Verordnung vom 18.2.1812 rezipierten österreichischen ABGB lautete: Eheverträge zwischen Christen und Personen, welche sich nicht zur christlichen Religion bekennen, können nicht gültig eingegangen werden (Dritte Fortsetzung der Gesetze und Verfassungen im Justiz-Fache [Justizgesetzsammlung] unter seiner jetzt regierenden Majestät Kaiser Franz. Von dem Jahre 1804 bis 1811. Nr. 946. Patent vom 1.6.1811).