Die französischen Behörden weisen den liechtensteinischen Staatsangehörigen Max Mündle mit seiner Familie aus dem Elsass aus und sequestrieren dessen Liegenschaften


Maschinenschriftliches Schreiben des liechtensteinischen Landesverwesers Prinz Karl von Liechtenstein, gez. ders., an die schweizerische Gesandtschaft in Paris [1]

26.6.1919

Max Mündle aus Mauren war durch 11 Jahre in St. Ludwig [St. Louis], Oberelsass, wohnhaft und hat dort den in seiner beiliegenden Eingabe [2] näher bezeichneten Besitz erworben.

Nach der Besetzung des Elsass durch Frankreich wurde Mündle samt seiner Familie ausgewiesen und soll ihm auch die Mieteinnahme aus seinen Häusern in St. Ludwig mit Beschlag belegt worden sein.

Eine h.ä. [hierämtliche] Mitteilung an das Generalkommando der IV. Armee in Strassburg vom 7. März 1919, dass das Fürstentum Liechtenstein neutral und von Deutschland unabhängig sei sowie dass Mündle Bürger der liechtenst. Gemeinde Mauren sei, scheint wirkungslos geblieben zu sein. [3]

Bei dem Umstande, als die Schweiz während des Krieges die Vertretung der Interessen Liechtensteins in Frankreich übernommen hat, beehrt sich die fürstl. Regierung die Schweiz. Gesandtschaft höflichst zu ersuchen, sich bei der französischen Regierung gef. dahin verwenden zu wollen, dass Max Mündle die Rückkehr nach St. Ludwig gestattet und ihm sein Besitztum wieder freigegeben oder im Falle, als die Rückkehr derzeit nicht in Frage kommen kann, ihm wenigstens das Erträgnis seines Besitzes in St. Ludwig nach seinem derzeitigen Aufenthaltsorte in Lörrach (Baden), Wallbrunnstr. 100, ausgefolgt werde. [4]

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[1] LI LA RE 1919/2918 ad 1160. Reingeschrieben von Anton Seger am 30.6.1919. Beiliegend eine französische Übersetzung des Dokumentes. Mündle wurde mit Schreiben der Regierung vom 26.6.1919 über den diplomatischen Vorstoss in Paris informiert; für den Notfall empfahl Landesverweser Karl von Liechtenstein eine Rückkehr nach Mauren (ebd.).
[2] Besagte Eingabe vom 9.6.1919 wurde nicht aufgefunden.
[3] Besagtes Telegramm wurde nicht aufgefunden.      
[4] Die schweizerische Gesandtschaft in Paris orientierte die liechtensteinische Regierung mit Note vom 16.9.1919 über die Auskunft des französischen Aussenministeriums, wonach Mündle in seiner Eigenschaft als österreichisch-ungarischer Staatsangehöriger am 15.3.1919 aus St. Ludwig ausgewiesen worden war (LI LA RE 1919/4622 ad 1160 (Aktenzeichen der Gesandtschaft). Demgegenüber betonte Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein mit Schreiben an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern vom 23.9.1919, dass Mündle zweifellos liechtensteinischer Staatsangehöriger sei und niemals das österreichische Staatsbürgerrecht besessen habe, und ersuchte darum, die Angelegenheit des Mündle "geeigneten Ortes neuerlich in Fluss zu bringen und möglichst nachdrücklich zu vertreten" (LI LA RE 1919/4622 ad 1160). Den Bemühungen der liechtensteinischen Gesandtschaft war jedoch vorerst kein Erfolg beschieden; 1921 drohte gar der Zwangsverkauf der sequestrierten Liegenschaften in St. Ludwig (LI LA RE 1921/4665; LI LA V 002/0875). Die Sequestration wurde erst 1922 aufgehoben (LI LA RE 1922/4494).