Der Balzner Pfarrer Peter Schmid schlägt der Regierung vor, das Institut Gutenberg, welches von der Kongregration der Schwestern der Christlichen Liebe aufgegeben wird, einer anderen Kongregation zum Zwecke der Erziehung der weiblichen Jugend zu überlassen


Handschriftliches Schreiben des Pfarramtes Balzers, gez. Pfarrer Peter Schmid, an die Regierung [1]

14.4.1920

An die hohe Fürstliche Regierung in Vaduz!

Vor einiger Zeit hat der ergebenst Gefertigte beim hohen Fürstlichen Landesverweser [Prinz Karl von Liechtenstein] vorgesprochen in der Angelegenheit des Institutes Gutenberg. Weil die Sache schon in den Tagesblättern besprochen wird, [2] so erlaube ich mir, dazu noch Folgendes zu bemerken:

Es wäre jedenfalls zum Wohle der Gemeinde u. des Lande, wenn das Haus Gutenberg nach dem Wegzuge der jetzigen Bewohner [3] einer andern Ordensgenossenschaft unter den bisherigen Bedingungen überlassen werden könnte zum Zwecke der Erziehung der weiblichen Jugend. Weil jetzt aber in Liechtenstein Alles mit Franken bezahlt werden muss, so würde eine Ordensgenossenschaft aus der Schweiz auf Gutenberg wieder leichter beginnen als eine solche aus Deutschland oder Österreich. In der Schweiz wurden aber die jungen Ordensleute im Frühjahr auf die einzelnen Ordenshäuser verteilt, u. so wäre es empfehlenswert, wenn bald in bezügl. Unterhandlungen eingetreten werden könnte. Es sind selbstverständlich vom Gefertigten in dieser Angelegenheit bisher keinerlei Schritte getan worden. Ich schreibe diese Zeilen nur darum, weil es mir nicht gleichgültig ist, von wem das Haus Gutenbg. nach dem Abzuge der jetzigen Schwestern bewohnt werde & ich ersuche darum die hohe Fürstliche Regierung, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass Gutenberg nicht Leuten zur Verfügung gestellt werde, welche der Gemeinde u. dem Lande zum Schaden gereichen. [4]

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[1] LI LA RE 1920/1749 ad 1062. Eingangsstempel der Regierung vom 14.4.1920. Stenographische Bemerkungen.
[2] Vgl. L.Vo., Nr. 29, 10.4.1920, S. 2 („Das Gutenberger Töchterinstitut“) sowie O.N., Nr. 30, 14.4.1920, S. 2 („Balzers“).
[3] Die Kongregation der Schwestern der Christlichen Liebe, die seit 1873 eine Höhere Töchterschule in Balzers unterhielt, entschloss sich 1920, diese Schule „in folge der jetzigen schwierigen Lebensverhältnisse hier im Lande“ aufzugeben. Prinz Karl von Liechtenstein sprach mit Schreiben an die Ordensleitung in Paderborn vom 3.3.1920 den Wunsch nach dem Fortbestand des Institutes aus und verwies darauf, dass aller Voraussicht nach die Nachkriegswehen im Lande bald beseitigt werden könnten (LI LA RE 1920/1062). Mit Schreiben vom 16.3.1920 stellte die Oberin Regina Le Claire jedoch klar, dass es unter den obwaltenden Verhältnissen nicht möglich sei, die zur Aufrechterhaltung des Instituts erforderlichen Opfer noch weiter zu erbringen (LI LA RE 1920/1464 ad 1062).
[4] Gemäss Aktenvermerk der Regierung vom 19.4.1920 wurde die Angelegenheit am 17. des Monats mit Pfarrer Schmid besprochen und sodann bis zur Entscheidung der Frage, ob die Schwestern der Christlichen Liebe tatsächlich aus Balzers wegziehen, ad acta gelegt (LI LA RE 1920/1749 ad 1062).  Es blieb jedoch bei der Entscheidung der Schwestern. – Wie sich aus einem Erlass der Regierung an die Ortsvorstehungen vom 17.6.1920 hervorgeht, waren in der Folge die Schwestern vom Kostbaren Blut, die seit 1908 das Herz-Jesu-Heim in Rankweil führten, bereit, auf Gutenberg eine Waisenanstalt verbunden mit einer Haushaltungsschule einzurichten, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie aus öffentlichen Mitteln unterstützt würden (LI LA RE 1920/2757 ad 1062). Am 11.9.1920 erteilte die Regierung die Niederlassungsbewilligung für die genannten Schwestern (LI LA RE 1920/4100 ad 1062).