Die Schwestern vom Kostbaren Blut in Rankweil ersuchen die liechtensteinische Regierung um die Bewilligung zur Niederlassung auf Gutenberg in Balzers zwecks Führung einer Haushaltungsschule und eines Waisenhauses


Handschriftliches Schreiben der Schwestern vom Kostbaren Blut, gez. Oberin Anna Berger, an die Regierung [1]

2.8.1920, Rankweil

An die hohe Landesregierung von Liechtenstein

Endesunterfertigte bittet namens unserer ehrw. Mutter Generaloberin Franziska Emannelli [Francesca Emanuelli] und unserer Generalvikarin der ehrw. Mutter Ida Keller die hohe Landesregierung, den Schwestern vom kostbaren Blut die Niederlassung in Gutenberg bei Balzers zu gestatten. Wir übernehmen mit Freuden die Leitung des von der hohen fürstlichen Regierung geplanten Waisenhauses [2] und der Haushaltungsschule und stellen uns der hohen Landesregierung ganz zur Verfügung.

Doch hoffen wir, da das Haus vollständig leer ist, dass man uns bei der Einrichtung des Waisenhauses tatkräftig unterstützen wird und uns später für jedes Kind eine den Zeitverhältnissen angepasste Entschädigung für Nahrung, Kleidung und Heizung sowie auch eine Zahlung für jede bei der Waisenfürsorge beschäftigte Schwester zusichern wird. Um dieses bitten wir recht herzlich da wir uns in Gutenberg ja erst eine Existenz erringen müssen und deshalb für den Anfang ein sicheres, wenn auch kleines Einkommen haben müssen.

Wir verpflichten uns zum Unterrichte der Waisenkinder und Haushaltungsschülerinnen zwei, oder wenn es notwendig ist, auch drei in Österreich staatlich geprüfte Lehrerinnen nach Gutenberg zu senden, sowie auch soviel andere Schwestern als notwendig sind, ich denke für den Anfang sieben Schwestern.

Recht herzlich möchten wir die hohe Landesregierung auch um die gütige Fürsprache bitten, dass uns der Fond, welcher zur Errichtung eines Haushaltungsschule von Herrn Dr. Schedler [Albert Schädler] [3] gestiftet wurde, zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen für die Haushaltungsschule überlassen würde. Wenn es der hohen Landesregierung recht wäre, so würden wir den Betrieb der Haushaltungsschule auf eigene Rechnung übernehmen.

Ferner bitten wir die hohe Landesregierung zu gestatten, dass wir in dem von unsern Vorgängerinnen [4] gekauften Hause ein Noviziat für Kandidatinnen unseres Ordens errichten dürfen. Wir wären dadurch der hohen Landesregierung zum besonderen Danke verpflichtet, da man uns der politischen Verhältnisse wegen Kandidatinnen deutscher Zunge in unserem bisherigen Kloster Nazareth b. Banjaluka in Bosnien aufzunehmen. Auch begrüssen wir alle im Orden die Niederlassung mit grosser Freude, da es noch nicht sicher ist, ob nicht in kurzer Zeit alle deutschen Schwestern aus den jugoslawischen Ländern ausgewiesen werden und wir hier somit wieder eine sichere Zufluchtsstätte hätten.

Recht herzlich bittet noch einmal die hohe Landesregierung dies alles zu gestatten [5] und zeichnet in grösster Hochachtung

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[1] LI LA RE 1920/3448 ad 1062. Stempel der Schwestern vom Kostbaren Blut in Rankweil. Einlaufstempel der Regierung vom 3.8.1920.
[2] Vgl. dazu den Erlass der Regierung an die Ortsvorstehungen vom 17.6.1920 betreffend die Finanzierung einer Waisenanstalt durch die Gemeinden (LI LA RE 1920/2757 ad 1062).
[3] Zur Stiftung von 40‘000 Kronen für eine Haushaltungsschule durch Dr. Albert Schädler vgl. LI LA RE 1916/4505; zur Zinsenausfolgung aus dieser Stiftung an die Schwestern vom Kostbaren Blut vgl. LI LA RE 1920/5713.
[4] Es handelte sich um die Schwestern der Christlichen Liebe, die zwischen 1873 und 1918 eine Höhere Töchterschule in Balzers unterhalten hatten (Institut Gutenberg) und sich 1920 aus Liechtenstein zurückzogen.
[5] Landesverweser Prinz Karl von Liechtenstein bestätigte der Oberin am 17.8.1920 den Eingang der Eingabe und stellt eine Entscheidung in diesem Gegenstand in Aussicht, sobald die damit im Zusammenhang stehenden Fragen geregelt sein würden. Gleichzeitig ersuchte er das Generalvikariat in Feldkirch sowie die Bezirkshauptmannschaft in Feldkirch um Auskunft, welche Erfahrungen mit dieser Kongregation gemacht worden seien und ob diese über grössere Geldmittel verfüge (LI LA RE 1920/3448 ad 1062; LI LA RE 1920/4099 ad 1069 (Zahl der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch: Zl. I 1742/1)). Zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung durch die Regierung am 11.9.1920 vgl. LI LA RE 1920/4100 ad 1062.