Die Oberrheinischen Nachrichten berichten über den ersten liechtensteinischen Katholikentag am 8.9.1921 (Teil III: Reden von Bischof Georg Schmid von Grüneck und Prälat Anton Gisler)


Bericht, nicht gez. [1]

28.9.1921

Liechtensteinischer Katholikentag.

(Fortsetzung der Rede des Bischofs.)

Der Bischof [Georg Schmid von Grüneck] führte weiter aus: Er werde nicht einmal sagen, wo seines Erachtens Erfahrung und staatsmännisches Wissen Besseres in der Verfassung zustande hätte bringen können! Wo aber Rechte des Bischofs in Frage kommen, da hat der Diözesanbischof vor Gott und der Welt gegen Bestimmungen, welche die Kirche verletzen, seine Stimme zu erheben. Vorerst wolle er die bescheidene Frage stellen: Ist es nicht Mangel an Takt und schuldiger Rücksicht (!), wenn man in einem katholischen Lande sich entscheidet, einseitig die kirchenrechtlichen Artikel zu entwerfen und durchzuberaten, ohne die zuständige bischöfliche Behörde zu begrüssen? Das sei unkatholisch und wiederholt vom kirchlichen Lehramte verurteilt worden. (Sillabus Pius IX.[2]) Wer dieser Anschauung theoretisch oder praktisch huldige, wissend oder unwissend, sei von den Irrlehren des Liberalismus oder Idealismus angekränkelt. An freisinnigen Hochschulen werde das schleichende Gift der religiösen Gleichgültigkeit eingepflanzt. Den Ungläubigen gelte eine herrliche Apostrophe von Dr. [Caspar] Decurtins, die Redner verliest.

Den halbabgelöschten Katholiken, welche dem Nationalismus mehr als der Kirche dienen, habe Kardinal [Josef] Hergenröther in seinem Buche über Staat und Kirche ein schönes Wort gestiftet. Wer von Religionsgleichheit spreche, der halte alle Religionen gleich schlecht.

Was den Inhalt der kirchenrechtlichen Paragraphen betrifft, enthalte besonders § 16 der neuen Verfassung zwei Wendungen. welche mit dem kirchlichen Rechtsbuche und dem Sillabus Pius IX. mit dem besten Willen nicht in Einklang gebracht werden können. Die oberste Leitung des Erziehungswesens kann nach katholischer Lehre niemals dem Staate zugesprochen werden, weil Christus zu den Aposteln seiner Kirche das entscheidende Wort gesprochen hat, nicht zum Staat. Einen andern Standpunkt in dieser Frage einzunehmen, sei für Katholiken einfach unmöglich. Redner erinnert an die flammenden Protestworte der bayerischen Bischöfe anlässlich der neuen Reichsverfassung, wo sie sagten: Elternrecht bricht Schulrecht, Gewissensrecht bricht Staatsrecht. Doch darüber wolle er nicht weiter reden!

In Ergänzung, dass einer besser sein könne als sein Ruf, das heisst die praktische Ausführung besser sein könne, als der Wortlaut, sodann in Voraussetzung andererseits, dass weder das brave katholische Volk von Liechtenstein, noch sein erlauchter frommer Fürst [Johann II.], noch der Wortlaut der Sanktion je dulden werde, dass ein Recht abgeleitet werde zur Verletzung des göttlichen Rechts der Kirche und natürlichen Rechts der Eltern auf Erziehung und Unterricht ihrer Kinder, und dass das Land Liechtenstein Ruhe braucht, sehe er von einer Remedur jener Bestimmung ab. Nachdem er seine beschworene Pflicht der Verwahrung getan habe, wolle er der Erste sein, welcher dem schönen Land Liechtenstein unter der neuen Verfassung Gottes glücklichen Segen und die Früchte des hl. Geistes wünsche. (Wenig Beifall.) -

Prälat Dr. [Anton]Gisler führte in seiner sehr schön und gehaltvoll gehaltenen Rede u. a. folgendes aus: Er wolle sich an die Jugend des Landes wenden, sie sei des Lebens und des Landes Frühling. Nur den Frühling des Lebens könne man selber gestalten. Seine Worte wollen nur einige Aufmunterung der katholischen Jugend sein.

Die Jugend solle vor allem treu dem Glauben und der Kirche bleiben. Der Ungläubige sei eben nicht was der gläubige Katholik, er kenne die höchsten Pflichten gegen Gott nicht. Wenn der Ungläubige auch noch seine sittlichen Pflichten gegen den Nächsten erfülle, so erfülle er sie mangels richtiger Beweggründe unvollständig. Der Dichter Dante sage treffend: Auch die natürlichen Tugenden sind unvollkommen, wenn sie nicht bestrahlt sind von den göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Wenn auch der Ungläubige den Mitmenschen gegenüber seine sittlichen Pflichten erfülle, tue er es nur unter dem Einfluss der Vergangenheit. Warum sollte ein folgerichtiger Ungläubiger seine sittlichen Pflichten erfüllen? Er wäre ein Narr, wenn er es täte. Wenn die Menschheit in ihrer Gesamtheit den Glauben verlöre, wäre sie ein Pack. — Aber der Sozialist erwidere durchaus nicht. Nach der Sozialdemokratie stammen die Verbrechen aus der schlechten, miserablen sozialen Einrichtung. Schafft tadellose soziale Zustände und ihr werdet tadellose Menschen haben. Die so reden, stecken in einem Irrtum, der in weiten freidenkerischen Kreisen verbreitet ist. Sie sagen, der Mensch sei von Natur aus gut und werde nur schlecht durch die äusseren Zustände. Das sei der Irrtum!

Wichtiger als alle irdischen Güter sei die Erziehung zur Ewigkeit. Lasst uns besser werden und gleich wird es besser sein. Weil der Sozialismus eine innere Umkehr nicht kenne, weil er diese bekämpfe und verhöhne, deshalb sei er unchristlich.

Christus habe eine neue Welt nicht mit sozialistischen Mitteln geschaffen. Er ging auf Golgatha und liess sich kreuzigen. Die Opfer der Selbsthingebung müssen auch heute noch den Hauptschlüssel zum Glücke der menschlichen Gesellschaft sein. Aber man wende ein, wenn man schon Religion haben soll, dann solle es die eigen persönliche sein. Das sei ein weiteres Schlagwort. Schon der alte Plato habe gesagt, wenn er sich einen Mantel machen lassen wolle, gehe er selbstverständlich zum gelernten Schneider. Und da wolle sich heute jeder die Lebensweisheit selber schaffen und sage, das Herz lüge nicht und lasse einen die rechte Religion schon finden. Das gleiche einem geflügelten Worte in der Schweiz: Es gibt zweierlei Schnaps, Bundesschnaps und besseren!

Europa möge zur Kirche und Christus zurückkehren.

(Schluss folgt.)

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[1] ON 28.9.1921, S. 1. Verfasser vermutlich Dr. Wilhelm Beck.
[2] Der Syllabus errorum („Verzeichnis der Irrtümer“) ist eine Liste von 80 Thesen, die von Papst Pius IX. als Irrmeinungen (z.B. zu Glaubensfragen aber auch zu Sozialismus und Liberalismus) verurteilt wurden. Der Syllabus wurde 1864 veröffentlicht und fasst überwiegend lehramtliche Äußerungen von Papst Pius zusammen, die bereits in anderen Dokumenten gemacht wurden.