Das Volksblatt publiziert und kommentiert das fürstliche Handschreiben, mit dem Fürst Johann II. dem Fürstentum Liechtenstein ein unverzinsliches Darlehen für die Begleichung der Lebensmittelschuld und eine Teuerungszulage für Beamte gewährt


 Fürstliches Handschreiben, gez. Fürst Johann II. und Landesverweser Karl von Liechtenstein [1]

10.2.1920

Seine Durchlaucht der Fürst hat an den Herrn Landesverweser Prinzen Karl nachstehendes Schreiben gerichtet:

„Lieber Herr Neffe und Landesverweser!

Von dem Wunsche geleitet, Meinem Fürstentume in dieser schweren durch die Kriegsverhältnisse bedingten wirtschaftlichen Krise nach Möglichkeit Hilfe zu leisten, gewähre ich dem Lande ein unverzinsliches Darlehen im Betrage von 550‘000 Franken schweizerischer Währung. Dieses Darlehen ist in erster Linie zur Rückzahlung der bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich bestehenden Lebensmittelschuld des Landes, weiter zu dem Zwecke zu  verwenden, den Landesbeamten und Angestellten eine in Franken zahlbare monatliche Teuerungszulage zu ihren Gehältern für die Zeit vom 1. Februar bis 1. Juli 1920 flüssig zu machen, über deren Höhe ich noch weitere Vorschläge erwarte; endlich sind davon die Kosten der Gesandtschaft in Bern zu tragen.

Hinsichtlich des, die vorbezeichneten Erfordernisse übersteigenden Darlehensbetrages behalte Ich Mir die Zustimmung zu dessen weiterer Verwendung vor.

Ich beauftrage Sie, lieber Herr Landesverweser, Mir über die Zeit der Flüssigmachung des Darlehenskapitales, die Modalitäten der Rückzahlung und die urkundliche Sicherstellung desselben weitere Anträge vorzulegen.

Karl Prinz Liechtenstein m. p. Johann m. p.

Durch das gegenständliche Darlehen, für welches die Bevölkerung Liechtensteins ihrem jederzeit hilfsbereiten Landesherrn und dem gesamten Fürstenhause, das dem das Familienfideikommiss [2] belastenden Darlehen seine Zustimmung gegeben hat, den höchsten Dank schuldet, ist es dem Lande ermöglicht, die bei der Zürcher Kreditanstalt im Laufe der Kriegsjahre kontrahierte Schuld für Lebensmittel im Betrage von rund 437'000 Fr. zurückzuzahlen, wodurch jährlich rund 35‘000 Fr. an Zinsen erspart werden, und die Möglichkeit eines neuen Kredites für die beabsichtigte Valutareform zu erleichtern. Ausserdem hat der Landesfürst dem Lande bereits vor einiger Zeit 25'000 Franken zur Beschaffung von Lebensmitteln aus ihm zur Verfügung gestellten privaten Mitteln, die nunmehr vom Fürsten zurückerstattet werden, vorgestreckt. Der weitere Darlehenszweck, die Gewährung von Zuschüssen in Franken an die Landesangestellten, wird von diesen durch die wirtschaftliche Lage schwer getroffenen Kreisen nur lebhaft begrüsst werden, weil durch diese hochherzige Hilfe unseres Fürsten das Land in die Lage versetzt wird, den Beamten einen angemessenen und wirklich notwendigen Zuschuss in Franken geben zu können. Die weitere Ausdehnung des Darlehens auf die Kosten der Gesandtschaft in Bern, welche mit Ausnahme einer vom Fürsten übernommenen Quote des Gehaltes des Geschäftsträgers vom Lande zu tragen sind, aber bisher fast gänzlich aus einer vom Landesfürsten zur Verfügung gestellten Frankensumme bestritten wurden, ist bei den gegenwärtigen Kursverhältnissen von hoher Bedeutung, da die Kosten der Gesandtschaft sonst das Land mit fast einer Million Kronen belasten würden.

Aufgabe des Landestages [!] und der Regierung wird es sein, über die Verwendung des die vorbezeichneten Darlehenszwecke übersteigenden Darlehensbetrages dem Landesfürsten entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Unsere Pflicht ist es aber, die Hochherzigkeit unseres Landesfürsten damit zu erwidern, dass wir ehestens alle erforderlichen vorbereitenden Schritte tun, um hie Grundlagen für die Durchführung einer Valutaregulierung zu schaffen.

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[1] L.Vo. 18.2.1920, S. 1. Das Handschreiben ist auch im LGBl. 1920 Nr. 4 kundgemacht.
[2] Um das Geld aufzutreiben musste Fürst Johann II. ein Collier und ein Diadem aus dem Familienbeistz verkaufen. Der Erlös betrug 605'000 Schweizerfranken. Da es sich um einen Teil des Familienvermögens (Fideikommiss) handelte, musste er die Zustimmung der Agnaten einholen. Die Gewährung des Darlehens erschien notwendig, da angesichts der ablehnenden Haltung des Fürsten in der Frage der Errichtung einer Spielbank ohne ein grosszügiges Darlehen Unruhen befürchtet wurden. Siehe dazu Quaderer: Bewegte Zeiten, Bd. 2, S. 350 f. Anlässlich seines 65-jährigen Regierungsjubiläums wandelte Johann II. das Darlehen am 12.11.1923 in eine Schenkung um.