Landsöffnung unter Fürst Joseph Alois I. von Liechtenstein


Landes-Öffnung.[1]

Ca. 1781 [2]

Der Durchlauchtigste und unser allerseits gnädigst gebietende Landesfürst und Herr Herr Joseph Alois des Heil. röm. Reichs, Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein, von Nikolspurg, Herzogen zu Troppau und Jägerndorf in Schlesien, Grafen zu Rittberg etc. Ihro römis. kaisl. königl. Apostol. Mayestät würklichen Cämmerer und eines Lobl. Kaisl. Königl. Generalfeldmarschall Graf Lacischen Infanterie Regiments Obrist Lieutenant etc. etc. Als von Gott fürgesetzter unser allerseits gnädigst gebiethender Landesfürst und Herr lassen euch und Mäniglichen hiemit in Kraft dieser gnädigst, und zugleich nachdrücksamst und Ernstgemeẞnest gebiethen, und anbefehlen, daẞ dieweilen

Erstlichen die Grundfeste eines jeden Staats oder Landes in einer guten Policey bestehet und daß allgemeine Beste, oder die Wohlfahrt eines Landes davon abhänget, daẞ eine Gesell- oder Bürgerschaft miteinander in einer guten Einverständniẞ miteinander leben, ruhih und friedlich sich untereinander betragen, als wollen, setzen und verordnen Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht, unser allerseits gnädigst gebietende Landesfürst, und Herr Herr, daß auch solche gute Einverständniẞ, friedsam und ruhiges Betragen unter seinen Unterthanen der Reichsherrschaft Schellenberg in dem Reichsfürstentum Liechtenstein beobachtet, und solche Fried und Tröstungen, wie von Altershero unverbrüchlich gehalten, die Übertrettern hingegen nach althergebrachten Rechten jedesmal zur Rechenschaft gezogen, und abgestraft werden sollen, also und der Gestalten zwar, daß
derjenige, welcher den Frieden mit Worten brechen wird P. 10 Pfund Pfennig
derjenige, welcher solches mit tätlicher Hand ausüben würde P. 40 Pfund Pfennig
der oder diejenige aber, welche einem die Glieder stümmelten oder Beinschrotten verursachten bey dem Leben und Haupt,
hingegen die Todschläger wie die Mörder nach der Strenge der Gerechtigkeit-Gesätzen
abgestraft werden sollen, jedoch aber wollen sich Seine Hochfürstliche Durchlaucht unser allerseits gnädigst gebietende Landesfürst und Herr Herr die Begnad- und Mäßigung in allweg vorbehalten haben.

Andertens setzen und ordnen Seine Hochfürstliche Durchlaucht, daẞ diejenige, welche Fried oder Tröstung[3] versprechen und solche nicht halten, auch diejenige, so solche versagen und nicht geben wollen, von denselben soll künftighin weder Tröstung gegeben noch genommen, sondern gefänglichen eingezogen, und in die Frohn-Vestung auf das Schloß Hohenliechtenstein überantwortet werden, worzu ein jeder seinem gnädigst gebietenden Landesfürsten und Herrn mit dem Eid verpflichtet zu helfen schuldig und verbunden seyn solle, gleichwie dann auch diejenigen ein gleiches zu befahren haben sollen, welche sich in solchem Fried partheyen, diesem Verbot gleichförmig verhaftet machen würde, wie nicht weniger auch diejenige, so denen verhandleten oder verwirkten Personen zu ihrem Abtritt oder daß derlei obbeschriebene Personen zum gefänglichen Verhaft nicht überantwortet würden, Fürschub thun, berathen, und verholfen seyn sollten.

Drittens ist jeder männiglich ohnehin satsam und zu Genügen bekannt, daß, wann auch etwan zwey, oder mehrere in Uneinigkeit gerathen und zu Gewehr greifen wollen, solches bey hocher Straf verboten, daher dann wollen auch Seine Hochfürstliche Durchlaucht der gnädigst gebietende Ländesfürst und Herr solches nicht nur auf das Strengste verbotten, sondern auch Ernstgemeßnest anbefohlen haben, daß diejenige, welche ihren Nebenmenschen mit Gewehr oder Waffen durch Stechen, Schlagen oder auf was immer für eine Arth verletzen und verwunden oder, wie es zuweilen zu geschehen pflegt, gar entleiben sollten, der oder diejenige sollen an Ehr, Guth, Leib oder Leben je nach gestaltsamme des Verbrechens nach aller Strenge der Rechts Gesätzen abgestraft und gezüchtiget werden.

Viertens setzen, ordnen, und befehlen Ihre Hochfürstliche Durchlaucht der gnädigst gebietende Landesfürst und Herr Männiglichen, und einen jeden zu Sonderheit sowohl Frau als Manns-Personen, daẞ jene Kinder, so unter vätterlich oder mütterlichen oder auch Vogteylichen Gewalt stehen, ohne sonderbare Bewilligung derselben Eltern, Vögten oder nächsten Anverwandten weder heimlich noch öffentlich verkupplet oder darzu Unterschlauf gegeben werden solle, und dieẞ zwar bey 10 Pf. Pfennig oder je nach Gestalsamme der Sache größerer und empfindlicherer Strafe, und ebenso, wenn sich ein oder andere Manns- oder Weibsperson ohne Erlaubnis von Seiner Durchlaucht oder Höchstderselben nachgesetzten Hohen Obrigkeit aus dem Reichsfürstentum Liechtenstein verheiraten würde, behalten sich gegen dieselbe Seine Hochfürstliche Durchlaucht, der gnädig gebietende Landesfürst und Herr, sowohl die Leibeigenschaft, als die Strafe bevor, und ebenso, wann zwey Personen der Ehe halber oder wegen gemachten Eheversprechen miẞverständig und einander für die geistl. Obrigkeit fürfordern und für laden sollten, so solle der Verlürstige Theil ohnnachläẞlich um 10 Pf. Pfennig Straf verfällt seyn.

Fünftens würdet einem jeden ohnehin bewußt und bekannt seyn, daẞ vermög denen göttlichen Gesätzen sowohl der Ehebruch als alle Unzucht und Hurerey unter schwerster Verantwortung verbothen, und da leider sowohl die alt, als mitlere, und neuere Geschichte uns nur gar zu gewiß, und vielfältig belehret, daß nicht nur diese, welche diesem Laster ergeben, von dem gerechtesten Gott auf das Strengste gezüchtiget, sondern daß auch ganze Land- und Herrschaften wegen derley in Schwung gehenden Lastern von der göttlichen Gerechtigkeit mit den empfindlichsten allgemeinen Strafen hergenommen und abgestraft worden seyen, um also sowohl diesen greulichen Lastern vorzubeugen und den Zorn der göttlichen Gerechtigkeit abzuwenden, als gebieten Seine Hochfürstliche Durchlaucht der gnädigst gebietende Landesherr, daẞ dergleichen Verbrechern bey seiner höchsten Ungnad und Strenge der Gesätzen je nach Gestaltsamme des Verbrechens abgestraft werden sollen.

Sechstens setzen, ordnen und befehlen Höchst Dieselbe, daẞ denjenigen, welche zum Nachtheil und Abbruch ihrer armen Weib und Kindern sowohl beym Tag, als bey der Nacht in den Wirths-Häusern mit Saufen, Spielen, oder sonst auf was immer für eine Arth das ihrige durchbringen und verbutzen, und andurch ihre Weib und Kindern nicht nur in die äußerste Armut versetzen, sondern so gar des nöthigen Nahrungs-Standes berauben, seyen es nun Verheiratete oder Ledige, Junge oder Alte, so sind solches strafbar und Verschwendern denen, so dergleichen Leuten darzu Platz, oder Aufenthaltung geben oder sonsten dazu Geldt leihen würden, weder mit noch ohne Recht über 5 Pf. Pfennig nicht paßiert, bezahlt oder gut gemacht werden solle, desgleichen dann auch bey unnachläẞlicher Straf verbotten und ein für alle mal abgestellt, daß ein Mann seines Weibs zugebrachtes Heirath-Guth ohne Vorwissen derselben oder der hohen Landesobrigkeit verkaufen, versetzen oder sonsten unnützlich verschwenden möge, könne oder dürfe.

Siebendens solle auch die Anlegung eines Arrests und die Verlegung durch niemand anderen als durch den geschworenen Landweibel beschehen, es wäre dann, daß derselbe nicht zu Hause, so mag als dann solches durch einen Gerichts-Mann, Geschworenen oder anderen Bidermann beschehen und im Fall der Noth verrichtet werden. Doch solle es nachhin dem Landweibel ehestens angezeigt und durch ihn bestätiget werden.

Achtens ist zwar ohnehin einem jeden auferladen und jeder Mensch vermög dem göttlichen, natürlichen und bürgerlichen Gesätze verpflichtet, einem jeden das seinige zu kommen zu lassen, den Nebenmenschen um seine rechtmäßige Ansprach und Forderungen zu befriedigen, oder mit Pfand und Gantrechten nach dem Landesbrauch einem das seinige wiederfahren zu lassen, damit sich Niemand, weder Fremd noch Einheimische darüber zu beschweren oder zu erklagen Ursach haben, und weilen eben eine gerechte Justiz-Pflege richtige Gantführung einem Lande aller Orthen in der Lobl. Nachbarschaft Credit und Ansehen verschafft und zu dem wechselseitigen Handlungsgewerb den besten Anlaß giebt, als befehlen setzen, und ordnen Seine Hochfürstliche Durchlaucht der gnädigst gebietende Landesfürst und Herr, daß hierinnfalls in Zukunft eine bessere, und genauere Vollzieh- und Beobachtung vollzogen werde, damit die Lobl. benachbarte nicht vermüßiget und veranlaßet werden euch vor Fremden, ausländischen Gerichteren zu belangen, als wodurch nicht nur allein der Unterthan in große und unnotwendige Kosten verleitet, sondern auch der gnädigsten Landesherrschaft an dero habenden Gerechtigkeit und Freyheiten ein merklicher Schaden zu gehet, diesem also abzuhelfen und vorzukommen, solle einem jeden Unterthan hiemit zu wissen gemacht und verbotten seyn, daß sich künftighin keiner, wer dero immer seye, mit jemanden in einen Contract oder Handlung, wie die auch immer beschehen möchten, anderst einlassen solle als entweder um das baare Geldt oder auch höchstgedacht unseres gnädigst gebietenden Landesherrn hoher Gerichts-Stelle, Land- und Gant Rechten, wie dann ein jeder Unterthan ihm solches ausdrückentlich vorbehalten und sich Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des gnädigsten Landesfürsten Freyheiten keineswegs weder verzeichen[4], noch begeben solle, es solle auch in der Hochfürstlichen Kanzley oder Landschreiberey dergleichen Schuld-Zins oder andere Freyheiten, darinnen sich der Schuldmann aller Gnaden und Freyheiten, Verzeicht, bey schwerer Verantwortung nicht aufgericht und verfertiget und von keinem Landammann besieglet werden, sollte aber ein oder anderer vor dem k. k. Landgericht zu Rankweil in Müsinen oder vor andern fremden Gerichtern gesucht oder fürgeladen werden, es seyen Weibs- oder Mannspersonen, die sollen sich mit ihren empfangenen Ladungen also bald zu hoher Landesobrigkeit verfügen, Geleit und Abforderung um den billichen und bereits bestimmten Tax bey selber erheben, solche überschicken und sich damit von derley fremden Gerichtern loßmachen und erledigen, dann welcher oder welche solches nicht thun, sondern hierinn saumselig oder fahrlässig erscheinen und sich von dergleichen fremde Gerichtern nicht abfordern, sondern in die Acht und Aberacht rechten, erklären und erkennen lassen würden, dieselben sollen ohne einzige Nachsicht oder Nachlaß, so oft es geschieht, jedesmal um 10 Pf, Pfennig[5] abgestraft werden.

Neuntens, weilen der Unterthan und Landmann von den Landstreifern, Kessleren, Spengleren und andern liederlichen Bettler und Diebsgesind immerfort und gar zu sehr beschwert, und geplagt werden und so zu sagen nichts weder auf den Bäumen noch in den Feldern sicher ist, als gebiethen Seine Hochfürstliche Durchlaucht der gnädigst gebietende Landesfürst und Herr, daß man dergleichen Leute gar nicht beherbergen, sondern sie in die Tafern oder Wirthshäuser weisen solle, jedoch so, daß ein solcher Tafernwirth sie nicht länger als eine Nacht beherbergen solle. Denen übrigen wahrhaft Armen und kranken Leuten aber soll Männiglichen das Christliche Werk der Barmherzigkeit mitzuteilen und auszuüben erlaubt seyn, jedoch aber sollen auch diese nicht länger als eine Nacht ohne besondere Erlaubnis der Obrigkeit beherbergt werden dürfen,

Zehendens solle sich Mäniglichen des Wassers mit Fischen und Krebsen in den Fischbächen und Brunnenflüssen vom Ursprung bis an die Rheinstrange, auch in all andern Nebengräben, so Fische, oder Krebse inhaben bey Höchster Landesfürstlicher Ungnad und empfindlichster Strafe zu enthalten, und zu entmüßigen gleich wie dann

Elftens alles Schießen in Hölzern und Auen bei ermeldter hoher Ungnad, und empfindlicher Strafe verbotten, es ist auch der Höchstlandesfürstliche Ernstgemessenste Auftrag und Befehl wegen der Herstellung einer Schosse[6] und weggeldmäßigen Land- und Commercial-Straße ohnehin sattsam und zu genügen bekannt, jedoch aber will man eine sämmentliche Landschaft der untern Herrschaft Schellenberg an die Landesfürstl. Höchste Verordnung mit denen nachdrucksamst erinnert und ermahnt haben, daẞ sich die sämmentliche Gemeinden angelegen seyn lassen möchten den Höchsten Auftrag des Gnädigstgebietenden Landes Herren zu vollziehen, und daẞ zum allgemeinen Nutzen, und besten so höchst vorteilhafte Werk sobald es nur immer möglich, trachten, in seinen vollkommensten Standt herzustellen.

Und weilen Kürze halber in diesen bereits abgelesenen Punkten ohnmöglich alles hat können angefügt und angezogen werden, was zum Teil sündhaft verbothen und strafbar, zum Theil aber auch zu einer guten Mannszucht, innerlichen Ruh und Sicherheit und zum allgemeinen Besten des Landes abzielet als nämlichen der Eifer in den Gottesdienst, und fleißigen Anhörung des Worts Gottes, der ehrbaren, und sittsamen Betrag und Ordnung in und auẞer der Kirchen, die Abstellung der sünd- und lasterhaften Handlungen und Miẞbräuchen als des unchristlichen Fluchens und Schwörens, überflüssigen Saufens und Fressens, das unerlaubte Spielen, nächtliche Zusammenkünften, und Herumschwermungen, sowohl alter, als junger Leute beiderley Geschlechts, und überhaupts, was immer Sünd, und Baẞthaftes[7] und der guten Mannszucht oder der innerlichen Ruh und Sicherheit widriges gethan, begangen, und ausgeübt werden kann, alles dieses wollen Seine Hochfürstliche Durchlaucht euer gnädigst gebietende Landesfürst und Herr Herr bey hoher Ungnade und unter empfindlicher Bestrafung abgethan wissen und hiemit nachdrücksamst verbothen Haben.

Endlichen und letzlichen: Haben Seine Hochfürstliche Durchlaucht gnädigst zu gebieten und anzubefehlen geruhet, daẞ Niemand aus denen Unterthanen bey schwerer und schon bestimmter Straf sich unterfangen solle mit einigen Juden unter was immer für einen fürwandt es seyn möchte, zu handlen, maßen Höchstgedacht Seine Hochfürstliche Durchlaucht denen Juden allen Handel und Wandel in allhiesigem Reichs-Fürstentum Liechtenstein schlechterdings und für allemal verbothen haben wollen.

Gleich wie nun diese vorabgelesene Punkten oder die sogenannte Landes-Oeffnung nichts anderes zum Gegenstande haben und in sich enthalten, als was zum allgemeinen Besten und Nutzen des Landes und der Unterthanen selbsten abzielet, so werden nicht nur sämmentliche Unterthanen einer Lobl. Herrschaft Schellenberg nachdrücksamst und wohlmeinend erinnert und gewarnt denselben nachzugeleben, sondern auch ein sämmentliches Ehrsames Gericht mit dem Amtstragenden Landammann und Richter, Geschworenen einer jeden Gemeindt dahin nachdrücksamst ermahnet, daẞ sie in Gemäẞheit ihrer abhabenden Eids-Pflichten mit allem Ernst und Eifer darauf beflissen seyn sollen, daẞ diese sowohl zum allgemeinen Besten, als zu eines jeden Unterthanen selbsteigen grösten Nutzen und Vortheil abzielende Satz- und Verordnungen von Mäniglichen und einem jeden in Sonderheit möchten beobachtet und vollzogen werden, wornach sich dann Mäniglichen zu richten und vor Nachtheil, Straf und Schaden und Höchster Ungnade S. gnädigst gebietenden Landesfürsten zu achten und zu hüten wissen werden.

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[1] LI LA RA 22/1/06-07. Textwiedergabe nach der Edition von Josef Ospelt, JBL 1942, S. 19-26. Anmerkung von Ospelt zur Edition: „genau nach der Urschrift wiedergegebene Landsöffnung“. Vgl. dazu die Landsöffnung von 1614 unter Graf Kaspar von Hohenems. Die wichtigste Neuerung im Vergleich betrifft das Verbot, mit Juden zu handeln (letzter Punkt), der neu dazu gekommen ist.
[2] Eine genaue Datierung ist nicht möglich, sie stammt aus den Anfängen der Regierungszeit von Fürst Josef Alois von Liechtenstein (1781-1805)
[3] ) Tröstung: Hilfe, Sicherstellung. Bürgschaft, sicheres Geleit: vergl. Lexer. Mittelhochdeutsches Wörterbuch. 21. Auflage. S. 23.
[4] Verzichten.
[5] 1614 nur 3 Pfund Pfennig. Dies ist umso beachtenswerter, als die früher in dieser Urkunde genannten Bussen in der Höhe mit jener von 1611 übereinstimmen. Hiedurch sollte offenbar der im 18. Jahrhundert verhältnismässig häufigen Inanspruchnahme des Landgerichtes in Rankweil nachdrücklicher entgegen gewirkt werden.
[6] "Schosse": Chaussée, Landstrasse.
[7] "Bast" bildlich das geringste (Lexer. Mittelhochd. Wörterbuch. S. 10.