Graf Rudolf von Sulz erlässt für die Herrschaft Vaduz eine neue Ordnung über Erbfolge, Testament und Verjährung


Ordung betr. Erbfolge, Testamente und Verjährung von Graf Rudolf von Sulz [1]

24. August 1531

Wir Rudolf Graf zu Sulz, Landtgraf in Kleckgeu, des heiligen römischen Reiches Hofrichter zu Rotweil, römischer hungarischer und behumischer Königklicher Majestet Statthalter der Oberösterreichischen Landen, Herr zu

Vaduz, Schellenberg und Blumenegk bekennen öffentlich und thun tundt allermenigklich mit diesem Brief, daß vor uns kamen und erschienen sind unser arme Leut und Unterthanen gemeingklich Geschworene und Gerichtsleut unser Herschaft Vaduz. Und hielten uns für etlich Mängel und Artikhel, daran inen vil und groß gelegen wär, so si an weiland die edlen und wolgebornen unsere Vetter Freihern von Brandiß selig nacheinander, und jez an uns als Erb und regierenden Herrn gemelter Herschaft Vaduz gebracht und mermalen angezogen hetten, und doch der Sach keinen Auftrag gegeben wäre.

Zu dem ersten, wann es sich durch Gott gefuegte, das ain Mensch in Krankhait läge und sich besorgte zu sterben, wie sich dann derselb Mensch zu Gott schikhen und was er verordnen und verschaffen [2] möchte und sein Testament setzen, damit es Kraft hette.

Zum andern, welcher Mensch durch Gott und zu Hail seiner Seele, seiner Freunden und andern, so guts um denselben Menschen verdient und beschuldt hetten, etwas verordnen und verschaffen wölt, wie . das geschehen sölte.

Zum dritten, wie vil ain Mensch in seiner Krankheit in obgemelter Gestalt verschaffen möchte.

Zu dem vierten, wie Enichle [3] an statt Vatter und Muter zu Erben zugelassen sölten werden.

Zum Vinften, ob enichle Kinder one Leiberben abstürben, und etwas in gemelter Gestalt in erbsweis an sie gefallen wäre, wo dann dasselbig ir ererpt Gut haim gefallen sölte.

Zum sechsten wie auch Vatter und Muter, ire eliche und ledige Kinder erben sollen und mugen.

Zum sibenden, ob am Mensch etwas Unfertigs[4] uff im hette, wie er dann dasselbig widerkären und geben sölte.

Zu dem letsten, wie inen in der gemelten Herschaft not wär ain gewonlich Landsgewer. Also uff selich ir Anpringen der angezaigten Artikhel haben wir uns gar aigentlich betracht und deßhalben Rat gehabt ains Vicarii und gaistlichen Richters zu Chur und andern verstendigen Leuten, und sezen und wellen, das nun hinfüro dise Artikhel und Mainungen, hernach folgende, in gemelter unser Herschaft Vaduz gehalten und in Gerichtsgebungen, wo es dise Artikhel ainen oder mer, als hernach stat, anrieren würde, daruff gericht, denen statt und Glauben gegeben werde, und darwider mit kainn Urtell gericht, sondern gestragkhs one Hinred, Intrag, Hindernus Bekümmerung aller Gericht und Sachen also beleiben lassen, khainen den andern anderst über selichs nit anlangen, fürnemen noch hindern, mit khainen Gerichten noch Sachen, weder gaistlichen noch weltlichen, ganz in kainem Weg.

Und wellen zu dem ersten, ob ain Mensch mit Krankheit beladen wäre und etwas verschaffen wölte, das dann alwegen zwen Piderman zu Zeugen und der Priester darbei sellen sein, es wär dann Sach und zu besorgen Arglist und ander Verfürung. Alsdann sind derselben Zeugen nit genug, sondern sellen mer Zeugen darzu beruft werden, damit verstanden des Verschaffers besinten Willen. Und wo selichs in ander Weg anderst gehalten würd, sollen dieselben Testament und letzte Willen nichts bedeuten und kraftlos haißen und sein.

Zu dem andern, welcher Mensch, der wäre, der durch Gott und zu Hail seiner Freunden und anderen, so selichs umb ains verdienet und beschuldt hetten, etwas nach ihrem Tod zu geben, verschaffen wölte, so soll derselbe Mensch, darzu berufen vinf Zeugen. Darunter sellen zu dem wenigsten sein zwen Richter gemelter Herschaft, damit jemand gedenken möge, das der Krankh das Brauch seiner Sinnen nit gehabt hab. Alsdann soll selich Testament und Ordnung Kraft und Macht haben, sonst nit.

Zu dem dritten, welicher Mensch, der wäre, der in seiner Krankhait etwas über drey Pfund Pfennig verschaft und verordnet, sole kein Kraft noch Macht haben und nit gelten, es seien dann gemelter Gestalt Zeugen dabei gewesen. Es wäre dann sach in seiner Krankheit etwas durch Gott und zu Trost seiner Seele verschaffen wölte, alsdann sellen drei Richter gemelter Herschaft darzu erbetten werden, darbei verstanden kam Argwenigkeit darbei verloffen.

Zu dem vierten. Alsdann die hailigen Recht nit klain achtend, das die Enichle zugelassen werden, anstatt irer Vatter uud Muter zu erben, und unziemlich wäre, das sie mit zweien Ruten, ainer in Entziehung leiblichs Trosts durch Abgang Vatter und Muter, und in demselben irem Unfall mit der andern Ruten mit Beraubung ihres vätterlichen und müterlichen Erbs gestraft werden solten. Darumb so sellen nun hinfüro Enichle anstatt irer Vatter und Muter erben und in die Luckhen anstatt Vatter und Muter gestelt werden. Und wann nun Enichle vorhanden wären und weder Vatter noch Muter an jetnieder Seiten mer ist, alsdann soll jedes Enichle für sich selbs erben.

Zudem vinften ist uff diesen Artikhel sonder und mer beredt, ob enichle Kinder an Leib und Erben abstürben und vormals an si etwas erbfalls gemelter Gestalt zugefallen wäre so soll selich Gut, was das wäre, von inen wider hinder sich an die nächste Freundschaft, dannen gar es geflossen ist, falleil on alle Hindernus.

Zu dem sechsten alsdann Vatter und Muter ire eliche und ledige Kinder in obgemelter unser Herschaft zu Erben bisher kains wegs zugelassen, doch nicht destoweniger natürlicher und ordentlicher Sazung dieselben ire Kinder uffzuerziehen und zu versorgen schuldig sind, auch die Kinder ire Vatter und Muter für menigklich rechtlich erben. Demnach so sezen, mainen und wellen wir, das nun hinfüro Vatter und Muter ir letstes Kind, so mit Tod abgat on elich Leiberben, von inen geporen, erben sellen mit dieser Beschaidenhait, das Vatter und Muter desselbigen irs letstes Kinds verlassen ligend und farend Hab und Gut, was das wäre, ir weil und lebenlang inehaben, nüzen, nießen, geprauchen und den Pluemen [5] jährlich darvon nemen; und sellen auch die Güter, so in erbsweise an si also gefallen, weder versezen noch verkaufen, verordnen, verschaffen, noch sonst veroberhandeln in kain Weis noch Weg, sondern in guten wesentlichen Eren halten. Wo aber Vatter und Muter an den Pluemen von denselben Gütern zusampt iren aignen Gut nit Narung noch Auskommen hetten, sellen si ir aigen Gut zu ir Leips Noturft Narung und Unterhaltung am ersten angreifen. Und so dann ir aigen Gut nit genugsamlich darzu raichen und gedienen möcht, alsdann sellen und mögen si mit dem Gut, so gemelter Gestalt erbsweise si angefallen, schaffen, handeln, thun und lassen, wie und als mit anderm irem aigen Gut, doch alweg zimlich und nit wüstlich on Not. Und so dann Vatter und Muter auch absterben on elich Leiberben, von inen fürohin geporen, soll selich Gut vorgemelter Gestalt inen zugefallen, so überblieben und noch vorhanden, was das wäre, von inen wider hinder sich an die nächste Freundschaft nach der Linie des Pluts zu paiden Vatter und Muter Stammen, dannenher das Gut geflossen und kommen ist, fallen on alle Inred.

Zum sibenden ob ain Mensch etwas Unfertigs uff im hette, wie und was das wäre, so sein Seel zu ewiger Seligkeit irren und hindern möchte, so soll derselb Mensch selichs bei guter Vernunft an die End und Orth verordnen und keren, dahin es gehört, und bei gesundem Leib, oder in seiner Krankheit, obgemelter gestalt Zeugen und Leut darbeihaben, damit niemand betrogen möge werden.

Zum achtenden ist gar mit namlichen Worten beredt und angesehen ain gewonlich Landsgewer [6] diser unser Herschaft Vaduz, wie hernach volgen ist. Zu dem ersten ob ainer etwas Güter, ligende und farende, oder Brief in Hends hette und in ruebiger Besizung vinfzehen Jar wäre gewesen, und nach dem von niemand angezogen wurde, so deßhalben vermaindts Gerechtigkeit Forderung und Ansprach darzu zu haben, und doch derselbig oder dieselbigen Ansprächer dieweil im Land gesessen, mit ainandern zu Kirchen und zu Straßen gegangen, bei denselben an Enden und Orthen gewonet hetten, so selle si inen uff ir Anforderungen und Zuspruch nichts schuldig sein, in kainer Weis noch Weg. Ob aber auslendig Personen, so an fremden Orth gewonet und nit im Land gesessen wären, zu ainem oder mer, in dieser Herschaft über selich Gewer und Zeit etwas zu sprechen hette, darumb soll dann geschehen, was recht ist. Und zu letzt, ob ainer den andern in dieser gemelter Herschaft umb ain Geldschuld anziehen würde und also ob zehen Jaren one angefordert, angestanden wäre, soll derselbig derselbigen Person uff iren Anzug nicht schuldig, sondern die Schuld tot und ale sein.

Wir gemelter Rudolf Graf zu Sulz behalten uns und unsern Erben und Nachkommen dise Handlung Mainung und Artikhel über kurz oder lang Zeit zu mindern, zu meren, zu verordnen oder gar abzethun, auch alwegen uns, unsern Erben und Nachkommen an unsern Herligkaiten, Gewonheiten unvergriffenlich und unschädlich mit Urkhundt und in Kraft dieses Briefs, daran wir unser aigen Innsigel zu ainer Gezeugnis der Sach offenlich haben lassen henkhen.

Der geben ist an sandt Barthlameus des hailigen Zwelfpotentag, als man zelt nach der Gepurt Cristi unsers Herrn Tausend vinfhundert dreißig und ain.

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[1] LI LA Schä U 053. Pergament. Textwiedergabe nach Albert Schädler: Die alten Rechtsgewohnheiten und Landsordnungen der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg, sowie des nachherigen Fürstentums Liechtenstein. JBL 1905, S. 44-49.
[2] verschaffen: vermachen, testieren.
[3] Enichle: Enkel.
[4] unfertigs: unrecht erworben Gut.
[5] Pluemen: jährlicher Abnutzen.
[6] Gewer: Gewährleistung.