Bestallung und Instruktion für den Scharfrichter


Bestallung [1][2] 
für den scharfrichter Hanss Jerg Reichlin in dem reichsfürstenthumb Hohen Liechtenstein

pro anno 1729 [3]

Zu wissen, demnach von dem durchleüchtigsten fürsten und herren, herren Joseph Johann Adam, des Heyligen Rom. Reichs fürsten und regierer des hauses von und zu Liechtenstein etc. etc. unserem gnädigsten landtsfürsten und herren unterm 12-ten novembris 1728 gnädigst anbefohlen worden, für den in dero reichsfürstenthumb Hohen Liechtenstein subsistierenden scharffrichter Hanns Jerg Reichlin ein gleiches formular nach dem bregenzischen spann-zettel ad ratificandum pro anno 1729 gehorsambst einzuschickhen, als ist gegenwärtige bestallung und verhaltungs instruction nachfolgendermaẞen eingerichtet worden.

Erstlichen soll gemelter magister Hans Jerg Reichlin in diesem reichsfürstenthumb Hohen Liechtenstein, wan und so oft die oberbeamte seiner nottdürfftig werden, sich als ein nachrichter in allem dem, das einem scharffrichter zu thun gebühret, gebrauchen lassen.

Zum anderten soll jhme jährlichen zum warth- und dienstgeld sambt den hernach beschriebenen seine belohnung und zehrungen aus der hochfürstl. verwaltung bezahlt werden zwey und fünffzig gulden.

Drittens soll das wasenmeister-ambt gemelten scharffrichter in diesem reichsfürstenthumb, so with er dasselbe erraichen und versehen kann, allenthalben zustehen, und ihme durch jemandts darinnen kein eintrag oder eingriff beschehen.

Für das vierte solle dem scharfrichter von jedem großen richten, als mit dem rad, viertheilen, brandt, lebendig vergraben, sechs gulden, und fahls dergleichen speesen aus der maleficanten haab und guth darzunehmen, acht gulden; — von dem kleinen richten aber, als mit dem schwerdt, strang und ertrinkhen für sein belohnung vier gulden, hingegen mit ruthen ausschlagen, ohren abschneiden, durch bakkhen und stirnen brennen, finger abhauen und dergleichen zwey gulden, jedesmahl aber für strikh und handschuch vierzig kreüzer bezahlt werden.

Am fünfften wann der scharffrichter beym richten eines knecht zu gebrauchen nöthig ist, soll demselben knecht für die mahlzeit 15 kreüzer geraicht werden.

Sechstens so der scharffrichter ein persohn peinlich zu befragen, soll ihme des tags für alles fünfzehn kreüzer gegeben werden.

Zum sibenten so sich zutragen und begeben möchte, daß ein persohn, es wehren weiber oder männer, einheimbisch oder frembde, mit henkhen, erstechen, ertrinkhen oder in anderm dergleichen, wie dieselbe nahmen haben möchten, für sich selbsten auch aus aigenen muthwilligen und bösen verzwaiffleten fürsatz vom leben zum tod bringen würde (darvon Gott der allmächtige einen jeden christen menschen gnädiglich bewahren und jeder sich selbsten verhüeten wolle) darauf dann dem scharffrichter von hoher obrigkeit wegen befohlen würdet, dieselbe entleibte persohn auf dem wasser hinwegzuschwemmen oder unter und bey dem hochgericht zu verbrennen oder zu vergraben, so solle als dann dem scharffrichter von einer jeden persohn für sein belohnung sechs gulden (oder da es von maleficanten haab und guth darzugeben, acht gulden) bezahlt; auch absonderlich die zehrung und roßlohn jedes tags abgestattet; zumahlen für den knecht, so hierzue gebraucht, jedes tags zwainzig kreüzer abgerichtet werden, wofern auch der scharffrichter zu außschlaiffung oder ausführung einer solchen persohn, eines roß, desgleichen holz zum brandt, oder vaß zu verschwemmung derselben persohn notturftig seyn würde, daß alles solle ihme scharffrichter von obrigkeits wegen darzue erkaufft und bezahlt werden. So sich auch zutragen würde oder möchte, daß sich eine persohn, wie obsteht, selbsten entleiben und bey derselben einig geldt, gold, silber, cleinodien oder edelgestein, wie dasselb nahmen hat, zu befinden, soll allessambt anderer entleibten persohnen haab und guth der hohen obrigkeit, darinnen sich dieselbe entleibthe persohn aufhaltet, ohne alles mittel einzunehmen zugehören, was aber für kleyder oder wöhren, die mit silber oder gold nit beschlagen seynd, bey demselben entleibten an dessen leib (als sich derselbe entleibt hat) durch den scharffrichter befunden würdet, solche kleyder und wehren nichts auẞgenommen, sollen dem scharffrichter zusambt vorangezeigter seiner bestimbten belohnung und zehrung für aigen zustehen und gefolgen. Im übrigen was umb solche verzwaifflete persohn (so weith das schwerdt erreichen mag) sich befindet, hat man sich mit dem scharffrichter, jedoch mit disposition der hohen obrigkeit zu vergleichen, ingleichen da ein anderer malefiz persohn, seye sye heimbsch oder frembd, nach malefiz-recht verurtheilt und bey derselben persohn in der gefängnus oder auf den tag, da dieselbe gefänglich angenohmen ist, einig gold, silber, gold edlgestein und dergleichen cleinodien durch den scharffrichter oder jemands andern befunden würden, das alles solle einer jeden herrschaft, darinnen die persohnen gefangen worden, in allweg zustehen und erfolgen. So bald auch die gefangen persohn für malefiz gestellt und dem scharffrichter nach denen kayserlichen rechten zu richten zu erkennt, was alsdann nach ergangenem urthl bey dem armen menschen durch den scharffrichter befunden würdet, solches alles solle ihme sambt vorangezeigter belohnung auch erfolgen und zugehören.

Achtens solle der scharffrichter außer dieses reichsfürstenthumbs ohne vorwissen oder in andere ausländische herrschafften ohne bewilligung der oberbeambten nicht verreysen noch sich gebrauchen lassen.

Zum neunten anlangend den wasendienst, wann ein pferdt oder vieh abstehet, soll der scharffrichter alsbald solches ohneingestellt abziehen und fahls der bauersmann, oder wohin selbiges gehörig gewesen, die hauth (außerhalb der stiere) selbsten behalten wollte, hat man dem scharffrichter für jedes stuckh 30 kreüzer abzustatten, herentgegen da ein pferd oder vieh nach erkanntnus ohnparteyischer leuthen der vier mängel einen hat, gehört die hauth alliglich (jedoch ohne alle besoldung) dem scharffrichter.

Zehendes hat der scharffrichter alle bekanntnusse und verzichten der maleficanten gänzlichen zu verschweigen und keineswegs zu offenbahren, sich im übrigen still und wesentlich zu verhalten.

Leztlichen fahls dem scharffrichter über kurz oder lange zeit nit gelegen seyn würde, solche dienst länger zu versehen, solle er jeder zeit ein viertel jahr zuvor den dienst abkünden und auffsagen, desgleichen da sich gemelter scharffrichter sich seiner Bestallung nit gemäẞ verhalten oder solche dienst auch nach ausgefällter urthl nit versehen oder in andr weeg zuwider dieser seiner bestallung handlen würde, sollen auf erfolgenden gnädigsten consens Sr. hochfürstl. durchlaucht dero anheimbgelaßenes oberambt macht und gewalth haben, ihme von solchem scharffrichterdienst wider abzuschaffen, und der notturft nach einem andern zu verleihen.

So beschehen im schloß Hohen Liechtenstein den 18-ten februaryi 1729 [4]

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[1] Wiedergabe nach Fridolin Tschugmell: Beamte 1681 – 1840, Dienstinstruktionen, Diensteide usw. in:  JBL 1947, S. 104-107, Anhang Nr. 22.
[2] Anmerkung Fridolin Tschugmell:“Nota bene! aus einem alten Bestallungsbrief von Bregenz de anno 157l fast wörtlich entnommen, mit einigen, die lokalen Verhältnisse begreifenden Auslassungen.“
[3] Am Schluss folgt das exakte Datum: 18.2.1729. Die Ratifikation durch die fürstliche Kanzlei erfolgte erst am 20. Oktober 1731 in Feldsberg.
[4] Es folgt der Ratifikationsvermerk der hochfürstlichen Kanzlei: „Wird von der hochfürstl. cantzley wegen hiemit ratifizirt, Feldsberg, den 20-ten 8-bris 1731. Per Cancell. Serenissimi L. S.“