Martina Gstöhl an ihre Schwester Balbina Gstöhl über ihre Erkrankung sowie einige Eheschliessungen in Eschen


Handschriftliches Originalschreiben der Martina Hartmann [-Gstöhl], Ludesch (Vorarlberg), an ihre Schwester Balbina (Marie Balbina Öhri [-Gstöhl]), Spencer (Nebraska) [1]

05.09.1910, Ludesch (Vorarlberg)

Werthe Schwester! [2]

Will nun die Feder ergrei-
fen um Dir Antwort zu
senden, auf den mit schon
längst geschriebenen Brief.
Ich hätte sofort geantwortet,
war aber damals im Begrife
Dir eine Photografie von
unser Familie zu senden.
Unterdesen erkrankte ich
schwer u. war bereits
ein halbes Jahr im Bett [3]
Jetzt bin ich schon wieder
etwas besser muss [4] aber beständig
eine Medizin einnehmen, welche
alle 10 Tage 2 fl. [Gulden] kostet nämlich
(Hämatogen.) künstliches Blut
nebenbei noch Mellissengeist
u. Tropfen vom Arzte, wegen
Herzschwäche. Ich war schon
weit zurück, niemand glaubte
mehr an eine Genesung, ich auch
nicht, der Arzt sagt wenn ich mich
nicht ganz sorgsam schone, könne
immer noch was dazu kommen.
Meine Krankheiten sind
Nierenüberanstrengung,
Nervenüberanstrengung. [5]
Der Arzt sagt: Ich sei ganz überanstrengt
u. ausgearbeitet, ich leide noch an
Blutarmut ziemlich stark u.
an 4 Unterleibskrankheiten,
u. an Magenschwäche u. an
allgemeiner Schwäche, jetzt
kannst Du arbeiten. Mehr als 3
Stunden mag ich nicht einmal
sitzen leiden, u. doch hab ich
mich schon ziemlich erholt mit
den Hämatogen aber eben
furchbar teuer sind’s. Mein
Mann [Johann Josef Hartmann] ist gegenwärtig bei einer
Waffenübung, welche uns auch
wieder bereits 100 fl. wegfrisst.
So geht’s halt bei den armen Leut, die
beste Zeit müssen hier Männer
dem Kaiser [Franz Joseph I.] opfern. [6]
Seid Ihr Alle gesund u. munter
was macht die ganze Famielie.
Möchtet Ihr nicht hier sein in
Östreich. Was machen Andreas [Öhri] Famielie
u. Magdalenas [Magdalena Connot [-Öhri]]. Wenn ich mich
noch soweit erhole bevor es kalt
wird, dass ich auf den Weg darf, so
gehe ich einmal nach Eschen. Der
Herr Ritter habe eben bei Meier
Andreas der jüngsten Tochter noch
nicht ganz der Christenlehre entlassen
eben eine Jugend. Zeit in 8 Tagen
bei der Frau u. bei dem Geschwister-
kind eins. Gstöhls Cila [Cäcilia Schächle [-Gstöhl]] ist verheiratet
mit Struba Schächles Wilhelm [Wilhelm Schächle], Sefa [Maria Josefa Speckli [-Gstöhl]]
mit Spekle [Albert Gebhard Speckli] in Tisis. Brendles ist
alles in Rorschach verheiratet nebst
Käther [Maria Katharina Gerner [-Brendle]] die ist noch ledig beim Vater [Josef Brendle].
In der Erwartung, dass Euch dieser
Brief in bester Gesundheit antrifft
grüsst Euch Alle samt u. sonder
Famielie Hartmann
besonders Schwester
Martina

Wenn ich tags nur
etwas wenig streng arbeite
so kann ich die ganze Nacht
keine Sekunde schlafen
wegen Schmerzen in den Nerven. [7]

Ich habe meiner Tant [Magdalena Gstöhl] noch nie
Vaterunser gebetet
Ich weiss nicht ists
recht oder nicht.
Sünd ists
doch keine. [8]

______________

[1] LI LA PA 016/3/11/04.
[2] In lateinischer Schrift.
[3] Seitenwechsel.
[4] Ursprüngliche Fassung: „muẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[5] Seitenwechsel.
[6] Seitenwechsel.
[7] Satz nachträglich am Rand der 2. Seite hinzugefügt.
[8] Sätze nachträglich auf der 1. Seite hinzugefügt.