Emma Rheinberger an Alois Rheinberger über die Zusendung von Fotografien aus Nauvoo sowie die Wiederaufnahme der Tuberkulosebehandlung in Arosa


Handschriftliches Originalschreiben der Emma Rheinberger, Arosa, an Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois) [1]

10./12.01.1908, Arosa

Lieber, braver Herr Vetter!

Eine solche Freude,
wie sie mir heute ward, hätte ich nicht
gedacht, gehofft, noch zu erleben.
Lieber, guter Herr Vetter, ich habe Sie [2]
gesehen! Tief gerührten Herzens komme
ich desshalb heute geschwind zu
Ihnen. Ja ist es denn wahr, hat mir der
liebe Gott diese Freude noch bestimmt? Ganz
kindlich möchte ich ihm danken dafür.
Im Sommer noch während meines Daheim-
seins war ich einmal dieses lieben Bildes
wegen hinter Frau Postmeister [Maria Rheinberger [-Heeb]]
geraten, sie machte mir aber wenig Hoff-
nung, zweifelnd, ob sie es besitze. Ich sagte [3]
ihr dann, der Postmeister selg. [Theodor Rheinberger] hätte mir aber
einmal versprochen, nachzusehen, ob dieses
lb. Bild nicht in seinem Besitz? – Es half
nichts, wieder musste ich von daheim fort, hoff-
nungslos, Sie jemals sehen zu dürfen. –
Und nun stellen Sie sich meine Rührung vor, –
nicht sagen kann ich es, wie es mich ergriff,
als ob ich Sie in Händen hielt, – es hätte nicht
viel gebraucht, hätte ich zu weinen angefangen,
vor Dank, vor unsägl. Freude. – Dieses ehrwür-
dige, liebe, edle Gesicht, das das mich unaussprech-
lich erfasst, mich mit herzlicher Hochachtung
u. Verehrung erfüllt, – was liegt in diesen
Zügen, eine Biographie, die mich voll u.
ganz erfüllt, beschäftigt. – Danken, mein lieber
lieber Herr Vetter, kann ich wohl nicht, nicht ge-
nügend. Ich bin so ergriffen, dass ich überhaupt
kaum ein Dankeswort herausstottern kann.
Danken will ich diesem lb. Bild damit, dass [4]
ich es mein ganzes Leben in Treuen verehren
will. Jetzt hängt es in meinem Stübchen bereits
über meinem Bette u. wie ein zweites liebes
Väterchen, als wollte es mir Schutz gewähren
in der Fremde, blickt es auf mich herab.
Ach u. „Lourdes“, wohl ein Stückchen meines
Lebens ist das u. Sie schenken es mir so sin-
nig u. liebevoll. 1000 X Dank, lieber, guter
H. Vetter. Auch dieses lb. Lourdes macht mein
Stübchen so heimelig. Ist denn Lourdes bei Ihnen
auch bekannt? Diese schöne Aufnahme dessen,
so weit entfernt fällt mir nämlich auf.
Und die beiden hübschen Karten mit d. Missisipi-
Schiffe! Vielen Dank! D. Missisipi muss doch
ein ziemlich reges Verkehrsleben entfalten.
Und Nauvoo muss entzückend schön gelegen
sein, wenigstens so oft ich es sehe, stelle ich
mir eine wunderbar liebliche Natur dabei vor. –
Ihrer lb. Tochter Maria lasse ich herzl. danken
für den lb. Kartengruss u. entbiete ihr warmen [5]
Gruss. Ich habe lange auf d. Karte mit mir selbst
beraten u. gesucht, in welchem Hause, auf der
Ansicht die lb. freundl. Frau wohl wohnen möge?
Mein Dank wird leider etwas verspätet ein-
treffen, heute ist schon der 12. Seit Mitte letzter
Woche werde ich eben wieder geimpft was mir
am Schreiben hinderlich ist, eine Menge Corres-
pondenz liegt noch unerledigt vor mir.
Wieder geimpft [6], lieber, guter H. Vetter, u. ich hoffte
[7] so sehnlichst, diese Impfungen umgehen zu
können. Doch weil sie bei mir so trefflichen
Fortschritt bewirkt (letzten u. vorletzten Winter)
meinte mein Dr. [8] hier, wollten wir sie doch noch
einmal nützen, wenn ich bis zum Frühling der
Heilung so nahe sein wolle, [9] als er sie erhofft. –
Bitte, bitte lieber H. Vetter ein Ave, [10] dass Gott
diese Impfungen segne. – Nach dem gestrigen Resul-
tat mein. Sputum-Analyse habe ich in zwei Pre-
paraten
[11] aber keine Bazillen mehr, – welche
Freude, – juche, lb. H. Vetter! Der liebe Gott ist
doch recht gut. – Er sei es auch mit Ihnen, Ihren
Lieben allen jeden Tag, um was ihn fleht.

Ihr herzlich dankbar‘
Bäschen Emma Rheinberger, das Ihnen,
nachdem es Sie gesehen, noch viel anhänglicher ist.

Gestern zum ersten mal
seit meines Hiersein’s
15 ° R. [Réaumur] Kälte, sonst
ein wunderbar, lieblich,
warmes Winterchen,
was zum beständigen
Draussenliegen enorm
vorteilhaft ist. [12]  

Meine Lieben daheim
freuen sich natürlich
auch herzlich über das
lb. Bild, das zu
uns gekommen. [13]

______________

[1] LI LA AFRh Ha 18. Brief in lateinischer Schrift.
[2] Dreifach unterstrichen.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.
[6] Dreifach unterstrichen.
[7] Durchstreichung.
[8] Doppelt unterstrichen.
[9] Durchstreichung.
[10] Durchstreichung.
[11] Unterstrichen.
[12] Dieser Satz nachträglich auf der 1. Briefseite hinzugefügt.
[13] Dieser Satz nachträglich auf der 1. Briefseite hinzugefügt.