Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über die Unmöglichkeit eines Besuches in der alten Heimat aus finanziellen Gründen, die Unterstützung durch den Stadtrat von Freeport in Illinois mit Fleisch, Mehl und Holz, die Mission durch katholische Geistliche aus Österreich und Deutschland sowie Todesfälle und Eheschliessungen


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] und die übrigen Geschwister in Triesenberg [1]

08.11.1873, Freeport (Illinois)

Vielgeliebte Geschwisterte!

Heute erhielt ich mit grosser [2] Freude
Dein so werthes schreiben u. mit rühren-
dem Herzen u. unter vielen Thränen,
las ich Deine bar Zeilen, so dass mein Juli [Julius Lampert]
mich immer fragte Mutter ist jemand
gestorben das du weinst. Liebe Schwester
wie gerne würde ich Deinem Verlangen
entsprechen! Das kanst Du Dir nicht vorstel-
len, aber das kan ich leider noch nicht thun
aus 3 Gründen nämlich 1. weil meine
2 kleinen etwas schwach sind, u. sie guter
guter Nahrung bedürfen, die schlechte Schiffs-
kost könnte sie krank machen u. mir am Ende
noch sterben, dan müsste ich mir ein gewissen
machen u. hätte keine Ruhe mehr auf dieser
Erde. 2. weil ich auf dem Schiffe gleich
krank werde, dass ich mir selber nicht mehr
helfen kan, u. wer würde dan für meine
kleinen sorgen u. 3. könte ich jetzt mein [3]
Haus und Lott nicht gut verkaufen könnte, ausser
mit grossem schaden den wir haben 800
Thaler daran verwendet, u. jezt würde ich
wohl keine 500 mehr dafür kriegen, den die
Häuser sind jetzt viel billiger wie damals.
Aber nur Reisegeld könte ich doch dafür kriegen
u. ich habe auch noch 200 Thaler auf Intresse
aber wen einmal meine Kinder goss sind
würden sie mir schlechten Dank wissen
den hir ist es doch noch viel besser für sie
mein Juli kan hier ein Handwerk lernen
was er will u. er bekomt im ersten Jahre
schon dass er seine Kost gut bezahlen kan,
u. für die Weibsleut ist es viel besser hier
das kan Euch ja der Arnold sagen, wen ich
aber keine Kinder hätte so würde ich mich
gar nicht besinnen, sondern sobald als möglich
in Euere Arme fallen. Ich habe zwar hier
recht gute Leute u. genug Verdienst, letzte
Woche haben mich fremde Leute zu Ihnen
rufen lassen! Da fragten sie mich: ob ich
es nicht annehmen wollte wen sie für mich
beim Stadtrathe sprechen würden, dass ich [4]
Holz und Nahrung kriegen würde, welches ich
von Herzen annahm u. Ihnen den grössten
Dank sagte. Am letzten Freitag kam ein Englischer
Mann u. fragte mich über alles aus, wie lange
mein Man [Xaver Lampert] schon Tod sei u. wie viel Kinder
ich habe, worauf ich ihm alles sagte, da sagte
er zu mir, das ich jede Woche 2 lb. [Pfund] Fleisch
aus der Mezg holen soll, u. das man mir
jeden Monat 50 lb. Mehl bringen werde
u. genug Holz da könt ihr sehen, dass ich gute
Leute habe sie wollen nicht haben, dass ich so
hart arbeiten sollte. Liebe Schwester ich habe
Dein schreiben vom Mai nicht erhalten, sonst
hätte ich Euch gleich geschrieben. Wir sind Gott
sei Dank alle gesund u. mein kleines Liene
so heisse ich es, macht mir am meisten Freude.
Wir haben hier fühen Winter gehabt. Die
Kartoffel sind recht theuer 1 ¼ Thaler die Buschel
oder das Viertel die anderen Lebensmittel
sind billig. Wier haben vor 2 Wochen
Mission hier gehabt, es waren 3 Missionäre
hier einer von Feldkirch einer aus
Würtemberg u. einer aus Norddeuschland. [5]
Es waren jeden Tag 3 Predigten wozu alle
Katholiken fleissig beigewohnt haben es haben
sich auch 5 Lutherische bekehrt u. sind katholisch
geworden. Die Justina [Gassner [-Lampert]] ist verheirathet mit
dem Allois Gassner [Alois Gassner]. Der Josepha [Josefa Lampert] ihr
Heinrich ist gestorben in Iowa an den
Blattern u. jetzt gehen sie auch nach Oregon
lasset es dem Arnold wissen weiter braucht
Ihr dieser Brief niemand zu lesen geben
wie Ihr unter einander Geschwisterte Vettern
u. Bassen. Ich muss nun bald schliessen
es ist schon spät, wir haben heut auch das Fest
Maria Empfängniss gefeiert wozu alle
Frauen zur hl. Komunion gegangen sind.
Ich bitte Dich liebe Schwester schreibe mir
gleich wieder wie es euch allen geht schreibe
mir auch wer alles gestorben ist. liebe
Schwester lasse mir den Schlegel und Gottlieb
freundlich grüssen u. ich will mit dem
Joseph Lampert [Josef Lampert] sprechen er besucht mich öfters
er kommt fast jede Woche nach Freport sonst
wen sie Ihm schreiben können sie die Briefe
an mich adressiren ich will sie Ihm zu senden.

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[1] LI LA PA 188/002. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „groẞer“. Das Eszett wird im Folgenen zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.