Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über die Lebensmittelknappheit in Liechtenstein, die Spendentätigkeit wegen des in Teilen Amerikas grassierende Gelbfiebers, die Firmung ihres Sohnes Julius Lampert sowie die Rückreise vieler Auswanderer nach Deutschland


Handschriftliches Orginalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler], Triesenberg [1] 

29.09.1877, Freeport (Illinois)

Vielgeliebte Schwester!

Ich habe Dein Schreiben mit Freuden
erhalten, da ich gesehen habe, dass [2] ihr
alle gesund seid, aber wo ich gesehen
habe, dass die Kartoffeln wieder schwarz
sind, u. dass ihr wieder Amerikanischen
Türken Essen müsst, kam ein solches
bedauern über mich, das ich in Thränen
ausbrach, den ich dachte wieder an die
Theuren Zeiten wo wir noch kleine
Mädchen waren. Hier in Amerika
leidet niemand Noth, im Südlichen
Theile von Amerika herscht das gelbe
Fieber so, dass tausende zum Opfer
fallen, und die Geschäfte alle stille
stehen, so das gar kein Verdienst
mehr ist, folglich müssten noch viele
Hunger sterben, wen nicht gute
Leute ihnen beistehen würden,
es wird in allen Kirchen Geld gesammelt [3]
ja es wird sogar Esswaren, Kleidungs-
stüke angenommen u. ihnen hingeschickt,
so das sie keine Noth leiden brauchen,
aus den Klöstern gehen Schwestern u.
Brüder hin und setzen ihr Leben selbst
auf das Spiel um den Kranken Hilfe
zu leisten. Liebe Schwester ich bin mit
meinen Kindern [Julius Lampert, Theresia Lampert] gesund u. wohl u. die
Kinder gehen wieder in die Schule, wir
haben einen heissen Sommer gehabt
u. viel Regenwetter, aber es ist alles
gut gerathen, u. die Lebensmittel
sind alle billig. Vor 5 Wochen kam
die Ursala Bek von Orgen auf Besuch
mit ihrem kleinen Sohn, u. gestern
ist sie wieder abgereisst, da habe ich
wieder gesehen wie hart die Trennung
ist. Es geht ihnen in Orgen recht gut sie
verdienen recht viel Geld, bis auf die
Justina [Gassner [-Lampert]], dieser geht es recht schlecht [4]
alles Geld was sie hier erspart hat u.
ihr Vermögen noch dazu hat ihr Man
durch gebracht u. jezt hat sie
nichts mehr, liebe Schwester Du brauchst
es dem Lehrer nicht verhelen ich würde
es ihm selbst sagen, u. noch vielmehr
wen ich mit ihm sprechen könnte.
Liebe Schwester grüsse den Lehrer u. alle
es würde mich u. der Julius recht
freuen wenn der Joseph uns schreiben
würde, Du hast mir meine Frage
vom Joseph nicht beantwortet, wen
ist der Arnold gestorben? u. was
macht der Ferdinand. Heute über 2
Wochen empfängt mein Julius die
hl. Firmung, hier wird die hl. Firmung
nicht ertheilt, bevor sie die erste hl.
Kommunion empfangen haben.
Liebe Schwester schreibe mir wie es der
Sch. Sophina [Sophie Schädler [-Schädler]] geht, ich lasse noch mehr
Bilder machen vom Julius u. dan
schike ich ihr auch eins, wier lassen
uns alle abnehmen und dan schicke
ich mehrere. [5]

Liebe Schwester schreibe mir wenn
eins oder das andere von Euch Noth
leidet, so will ich Euch helfen, o ich
denke jedes mal Essen an Euch u.
spreche von euch, der Türken wo man
hier den Schweinen füttert müsset
ihr dort theuer bezahlen. Liebe
Geschwisterte ich lebe immer in der
Hoffnung euch noch einmal zu sehen
ich hätte können diesen Sommer für die
hälfte Preis über Wasser kommen
u. wieder zurük es sind viele von
Freeport nach Deutschland gegangen
diese Tage ist mein nächster Nachbar
ein Schullehrer abgereisst nach
Baden um seine alte Mutter noch
zu sehen ehe sie stirbt. Neuigkeiten
weis ich für euch keine grüsse mir den
Herrn Pfarrer [Johann Baptist Büchel d. Ä.], Lehrer und alle meine
Verwandte und Bekante besonders meine
Vetter, Basen und Geschwisterte ich grüsse
Dich tausendmahl und Verbleibe
Deine Dich nie vergessende Sch. Karolina
Lampert

______________

[1] LI LA PA 188/007. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „daẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Seitenwechsel.