Handschriftliches Originalschreiben der Kreszenz Sele, Triesenberg, an ihre Mutter Juliana Sele [-Schädler] in Triesenberg
Herzlich geliebte Mutter!
Stunden und Tage fließen dahin
und schon wieder quillt ein Jahr dahin
in das unermäßliche Meer der
Ewigkeit. Daher bietet mir dieser Jahres-
wechsel die erwünschte Gelegen-
heit dier meiner theuren Mutter
alles Liebe und Gute zum neuen
Jahr zu wünschen.
Es sind nun wieder vergessen die
Trübsalen wie die Freuden des nun
zu Ende gegangenen Jahres, allein
die mir von Euch erwiesenen Wohl-
taten sind noch lange nicht meinem
Gedächtnisse entschwunden, sondern
immer mehr erkenne ich dieselbe.
Gott der gütige im Himmel wolle
Euch noch eine lange Reihe von Jahren
in bester Gesundheit und Zufrieden-
heit erhalten, er wolle Euch jeden Tag
gnädigst abwenden, was selber ver-
bittern könnte, wo nicht so verleihe
er Euch Geduld im vollsten Maße. Wolle
der liebe Gott meine zwar schwache
aber doch von Herzen wohlmeinende
Wünsche für dieses angehende Jahr
gnädig erfüllen. Ihr aber selbe gü-
tigst annehmen. Auch in diesem Jahr
werde ich täglich wie bisher mein
kindliches Gebet zum Allmächtigen
empor senden, daß er meiner theu-
ren Mutter alles geben wolle was
Ihr bedürfet an Leib und Seele für
Zeit und Ewigkeit. Mit diesen schwach-
en Wünschen verbinde ich meinen
herzlichen Dank für alles erwiesene
Gute an Leib und Seele. Gott der Beloh-
ner alles Guten lohne es Euch hier, mehr
aber noch im Jenseits in der wahren
Heimath in der seligen Ewigkeit.
Um fernere Liebe bittet in kindlicher
Liebe und Hochachtung
Eure
dankbare Tochter
Kreszenzia Sele
Triesenberg den 31. Dezmber 1881
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