Die Wirtschaftssanktionen der Schweiz gegen Italien wegen des Abessinienkonfliktes werden aufgrund des Zollvertrages auf Liechtenstein anwendbar erklärt


Schreiben des Eidgenössischen Politischen Departements, Abteilung für Auswärtiges, an die Regierung, gez. Pierre Bonna [1]

14.11.1935, Bern

Mit Beziehung auf seine Note vom 4. d.M. [2] beehrt sich das Eidgenössische Politische Departement der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung beigeschlossen im Doppel zu übermitteln:

1. den Bundesratsbeschluss vom 12. November 1935 über die Ausführung des Art. 16 des Völkerbundsvertrages gegenüber Italien zu ergreifenden finanziellen Massnahmen;

2. den Bundesratsbeschluss vom 12. November über die in Ausführung des Art. 16 des Völkerbundsvertrags gegenüber Italien zu ergreifenden wirtschaftlichen Massnahmen (Vorschlag Nr. 4 des Koordinationsauschusses). [3]

Aus dem Zollanschlussvertrag [4] zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz ergab sich die Notwendigkeit, den unter Ziffer 2 erwähnten Beschluss auch auf das Gebiet des Fürstentums anwendbar zu erklären.

Es ist im übrigen gerne zur Kenntnis genommen worden, dass die Fürstliche Regierung beabsichtigt, dem Departement die vorgesehene Antwort auf die Mitteilung des Völkerbundssekretariats über die Anträge des Koordinationsausschusses bekanntzugeben. [5]

Das Politische Departement benützt auch diesen Anlass, um die Fürstliche Regierung erneut seiner ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

4 Beilagen [6]

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[1] LI LA RF 116/001/011 (1935/36). Aktenzeichen: B.14.12.Liecht.5.HA. ad. 116.1 -
[2] Siehe das diesbezügliche Schreiben des Eidgenössischen Politischen Departements unter LI LA RF 116/001/004 (1935/36), mit welchem der Regierung die Antwort des Bundesrates an den Generalsekretär des Völkerbundes Joseph Avenol vom 28. Oktober 1935 über die Stellung der Schweiz zu den Vorschlägen des sogenannten Koordinationsausschusses überreicht wurde. Ferner wurde  der Regierung der Bundesratsbeschluss vom 28. Oktober 1935 über die Ausfuhr, die Wiederausfuhr und die Durchfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach Abessinien und Italien übermittelt.  
[3] Es handelte sich u.a. um die Ausfuhr von Kautschuk, Bauxit, Eisenerzen, Ferrolegierungen, Zinn, Nickel und Aluminium.   
[4] Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet, LGBl. 1923 Nr. 24.   
[5] Am 26. November 1935 übersandte die Regierung dem Eidgenössischen Politischen Departement die Abschrift einer Note an das Generalsekretariat des Völkerbundes über die Teilnahme Liechtensteins an den Sanktionen im abessinisch-italienischen Konflikt zur Kenntnisnahme (LI LA RF 1116/001/014 (1935/36). In dieser Note verwies Liechtenstein darauf, dass es mit Italien keinen direkten Handels- und Geldverkehr besitze. Die Regierung sehe deshalb von der Ergreifung irgendwelcher selbständiger Massnahmen ab. Die Regierung fügte indessen bei, dass alle von der Schweiz getroffenen Ein- und Ausfuhrverbote sowie die Massnahmen über den Zahlungsverkehr mit dem Ausland auch für das Fürstentum Liechtenstein gelten (u.a. LI LA RF 116/001/016 (1935/36)). Eine Bekanntmachung betreffend die Anwendbarkeit der betreffenden Bundesratsbeschlüsse auf Liechtenstein wurde im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt allerdings nicht publiziert.   
[6] Die Beilagen werden hier nicht abgedruckt.