Die Regierung versichert Deutschland, dass sie gewillt sei, die Erklärung über die Rückstellung entflohener französischer Kriegsgefangener einzuhalten


Schreiben der Regierung, ungez., verm. von Regierungschef Josef Hoop, an das deutsche Generalkonsulat in Zürich [1]

13.8.1942

Sehr geehrter Herr Generalkonsul [Hermann Voigt],

Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben vom 11. August 1942 die Behandlung französischer Kriegsgefangener in Liechtenstein betreffend, [2] beehren wir uns Ihnen folgendes mitzuteilen:

Als Ihnen die fürstliche Regierung mit ihrem Schreiben vom 22. August 1941 den Beschluss mitteilte, kriegsgefangene Franzosen, die aus Deutschland auf liechtensteinisches Gebiet überträten, nicht aufzunehmen, sondern den deutschen Grenzbehörden zu übergeben, [3] hat sie gleichzeitig von diesem Beschluss telefonisch das Eidgenössische Politische Departement verständigt, damit dieses die schweizerischen Grenzwachorgane in Liechtenstein entsprechend instruieren könnte und die nötigen Weisungen an die liechtensteinischen Polizeiorgane erlassen. Der Letzteren sowie der Regierung selber sind in der Folgezeit keinerlei Fälle von Grenzübertritt französischer Kriegsgefangener zur Kenntnis gelangt. Erstmalig am 6. Oktober 1941 teilte mir Herr Dr. Friedrich Bock anlässlich eines Besuches mit, dass die schweizerische Grenzwache in Liechtenstein aufgegriffene Franzosen direkt nach der Schweiz überstelle. [4] Konkrete Fälle nannte Herr Dr. Bock damals nicht, auch der liechtensteinischen Polizei war nichts dergleichen bekannt. Trotzdem wurde der Schweizerische Grenzwachsektionschef von dieser Mitteilung in Kenntnis gesetzt mit dem Ersuchen, aufgegriffene französische Kriegsgefangene der liechtensteinischen Polizei zu übergeben. Herr [Rudolf] Denoth, Grenzwachsektionschef in [Schaan] erklärte, sich an die Weisungen seiner vorgesetzten Stellen halten zu müssen, [5] worauf der Unterfertigte das Eidgenössische Politische Departement neuerdings telefonisch auf die der Reichsregierung abgegebene Erklärung hinwies, mit dem Ersuchen, bei der Durchführung dieser Abmachung behilflich zu sein. Durch Monate hindurch schien die Angelegenheit vollständig in Ordnung zu gehen und der fürstlichen Regierung oder der liechtensteinischen Polizei ist kein Fall von Grenzübertritt französischer Gefangener bekannt geworden.

Im heurigen Frühjahr wurde mir von reichsdeutschen Grenzpolizeiorganen mitgeteilt, dass ein beim Bahnhof in Nendeln aufgegriffener französischer Gefangener von der schweizerischen Grenzwache nach der Schweiz überführt worden sei. Ich setzte mich unverzüglich mit Herrn Dr. [Max] Ruth, Adjunkt des Eidgenössischen Justiz– und Polizeidepartements in Bern in Verbindung und verwies auch ihn auf die von der fürstlichen Regierung der Reichsregierung abgegebene Erklärung. Herrn Dr. Ruth schien es nicht klar, ob die schweizerischen Grenzwachorgane in Liechtenstein nach den für das Schweizergebiet geltenden Weisungen oder nach der liechtensteinischen Erklärung zu handeln hätten und regte zur Abklärung eine Konferenz an, an der seiner Meinung nach Vertreter des Politischen Departements, des Justiz– und Polizeidepartements und der Oberzolldirektion teilnehmen sollten. [6] Trotz Betreibung am 19. Mai, am 30. Mai und am 13. Juni ergab sich erst am 22. Juni Gelegenheit, mit den Sachbearbeitern Dr. [Robert] Jezler und Fürsprech [Oscar] Schürch die Frage zu besprechen. [7] Bei diesem Anlasse vertraten die Vertreter der liechtensteinischen Regierung, Regierungschef Dr. Hoop und Regierungschef–Stellvertreter Dr. [Alois] Vogt die Auffassung, dass die schweizerischen Grenzwächter in Liechtenstein auf Grund der mehrerwähnten Erklärung der liechtensteinischen Regierung gefangene Franzosen beim Grenzübertritt entweder zurückzuweisen oder der liechtensteinischen Polizei zuzuführen hätten.

Die Vertreter des Justiz– und Polizeidepartementes versprachen neuerlich eine Prüfung der Angelegenheit, über deren Ergebnis wir bis jetzt keine Nachricht erhalten haben. Auf Ihr Schreiben vom 11. August hat sich die fürstliche Regierung mit dem in Abschrift Ihnen zugekommenen Schreiben neuerlich an das Eidgenössische Justiz– und Polizeidepartement um beförderliche Behandlung der Angelegenheit gewendet. [8]

Wie Sie aus dieser Sachverhaltsdarstellung zu ersehen belieben, hat die fürstliche Regierung den Willen, die der Reichsregierung abgegebene Erklärung über die Rückstellung französischer Kriegsgefangener strikte einzuhalten und es ist der bei den Eidgenössischen Behörden bestehenden Unklarheit der Rechtslage zuzuschreiben, dass in einzelnen Fällen die Erklärung nicht eingehalten werden konnte. Die fürstliche Regierung hat auch nicht ermangelt, die reichsdeutsche Grenzpolizei in wiederholten Besprechungen von der Sachlage aufzuklären und zu versichern, dass die liechtensteinischen Behörden selbstverständlich alles daran setzen, gemäss der abgegebenen Erklärung zu handeln.

Wir bedauern, dass die reibungslose Durchführung derselben wegen der geschilderten Umstände nicht möglich war und hoffen, dass nunmehr in kürzester Zeit auch die in Liechtenstein diensttuenden schweizerischen Grenzorgane von ihrer Oberbehörde Weisung erhalten, von ihnen aufgegriffene Gefangene der liechtensteinischen Polizei zuzuführen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Generalkonsul, die Versicherung unserer vorzüglichsten Hochachtung.

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[1] LI LA RF 206/142/015a-b.
[2] LI LA RF 206/142/011.
[3] LI LA RF 206/142/002v.
[4] LI LA RF 206/142/008, 009.
[5] LI LA RF 206/142/008, handschriftlicher Vermerk von Hoop, o.D.
[6] LI LA RF 206/142/009, handschriftlicher Vermerk von Hoop, 10.5.1942.
[7] LI LA RF 206/142/009, handschriftliche Vermerke von Hoop, 19.5., 30.5., 13.6. und 22.6.1942. Gemäss Vermerk vom 22.6.1942 fand die Konferenz am 19.6.1942 statt.
[8] LI LA RF 206/142/017.